CHANCEN 2/23: Debatte „Künstliche Intelligenz“

Das Thema

Wie verändert der Einsatz künstlicher Intelligenz den Arbeitsalltag?

Es diskutieren

Dr. Frederic Theodor Stahl

Deutsches Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI)
Dr. Stahl ist kommissarischer Leiter des Forschungsbereichs Marine Perception im DFKI Niedersachsen in der Niederlassung Oldenburg.

Dorothee Koch

Regionsgeschäftsführerin Oldenburg-Ostfriesland für den Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB)
Dorothee Koch wurde Ende 2021 mit 99 Prozent der Stimmen für vier weitere Jahre zur DGB-Regionsgeschäftsführerin gewählt.

Künstliche Intelligenz (KI) erobert den Alltag. Das gilt auch für viele Bereiche der Wirtschaft. Wie wird sich das auf die Arbeitsplätze auswirken?

KI: Jobkiller oder -motor?

Dr. Stahl:

Künstliche Intelligenz kann zu mehr Effizienz in der Wirtschaft führen. Gerade der Mittelstand wird davon profitieren. Die Art und Weise, wie wir arbeiten, mag sich ändern. Aber KI wird uns helfen, dass neue Berufsfelder entstehen.

Koch:

Ich teile diese Einschätzung größtenteils. Allerdings wird die KI schon Arbeitsplätze kosten, aber nicht nur in Berufen mit geringer Qualifikation. Und ja, es werden neue Jobs entstehen. Arbeit ist immer im Wandel. Auch KI wird Arbeitsprozese verändern. Diese Veränderungen wollen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mitgestalten und mitbestimmen. Hier muss noch viel passieren.

Dr. Stahl:

Die Entwicklung bei der KI betrifft tatsächlich Arbeitsplätze, die häufig ein höheres Ausbildungslevel erfordern. Aber auch dort werden nicht komplette Berufsfelder wegfallen, denn es werden weiterhin Menschen benötigt, die die Automatisierungsprozesse entwickeln und steuern. Selbst DGB-Chefin Yasmin Fahimi sagt, dass KI etwa Menschen in der Pflege von bürokratischen Aufgaben entlasten könne. Das ist der richtige Ansatz.

Koch:

Trotzdem entscheidet sich die Frage, ob KI Fluch oder Segen für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ist, daran, inwieweit sie beteiligt werden. Ein Beispiel: Die Vorstellung eines Roboters, der Zupflegende aus dem Bett heben sollte, stieß bei Pflegenden und Gepflegten auf Ablehnung. Die einen hatten Angst um ihren Arbeitsplatz, die anderen vor der Technik.

Dr. Stahl:

Ganz klar, die menschliche Komponente darf nicht zu kurz kommen. Denn, wie in Ihrem Fall beschrieben, soll das Pflegepersonal ja durch die KI entlastet werden. Das Problem scheint hier nicht die KI selbst zu sein, sondern die Integration in den Arbeitsalltag. Da sollten wir alle Beteiligten an einen Tisch holen.

Koch:

KI muss auf unseren demokratischen Grundrechten aufbauen. Ethische und rechtliche Fragen müssen beantwortet werden. Was ist mit dem Datenschutz? Wem gehören die Daten? Es darf nachher keine Monopolbildung von Firmen geben, die durch den Datenbesitz das Sagen in der Welt hat. Da liegt meine rote Linie.

Dr. Stahl:

Diese Gefahr gibt es jetzt auch schon. Und ja, wir brauchen europäische Standards für die Entwicklung der KI. Das dürfen wir nicht dem US-Markt, den Chinesen oder Japanern überlassen. Das DFKI ist beispielsweise mit weiteren Forschungsinstituten an einer Initiative für eine europäische Antwort auf Sprachmodelle wie ChatGPT beteiligt, die europäische Werte berücksichtigt. Man muss die Balance halten, also die Technologie vorantreiben ohne ethische Werte zu vernachlässigen, zu denen selbstverständlich auch der Datenschutz gehört.

Koch:

Deutlich wird in diesem Gespräch, dass wir Regelungsbedarf haben. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer werden hellhörig, wenn es um Kontrolle und Überwachung geht. Es gibt auch in Deutschland bereits Unternehmen, die schauen, welche Türen sich öffnen lassen. Deshalb kann ich Ängste gut nachvollziehen. Wir müssen uns jetzt um Information und Weiterbildung kümmern.

Dr. Stahl:

Die Wissenschaft steht da auf Ihrer Seite. Aber wir sollten neben den angesprochenen Risiken der KI unbedingt auch die Chancen im Blick behalten, die sich für die Arbeitswelt ergeben.

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Zuletzt geändert am 13. Dezember 2023