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CHANCEN 2/24: Debatte „Welche Unterstützung brauchen Gründerinnen?“
Das Thema
Der Anteil von Frauen an den Existenzgründungen in Deutschland hat 2023 einen neuen Höchststand erreicht. Nach Angaben des Gründungsmonitors der Kreditanstalt für Wiederaufbau ist er auf 44 Prozent gestiegen. Wie lässt sich der Wert weiter steigern?
Es diskutieren
Stephanie Birkner
Die 42-Jährige gehört zum Geschäftsführungstandem des Innovations-Inkubators ZUKUNFT.unternehmen, einem An-Institut der Universität Oldenburg.
Kathrin Würdemann
Seit anderthalb Jahren leitet die 63-Jährige die ExistenzgründungsAgentur für Frauen in Stadt und Landkreis Oldenburg und der Stadt Delmenhorst.
Wenn es stimmt, dass Frauen anders gründen als Männer, welche spezielle Unterstützung benötigen sie dann?
Stephanie Birkner
Die Aussage „Frauen gründen anders“ möchte ich von zwei Seiten betrachten. Einerseits „Gott sei Dank“, andererseits „Ja leider, immer noch“. Gründerinnen werden oft als weniger kompetent, weniger vernetzt, weniger risikoaffin wahrgenommen. Forschungen zeigen: Frauen werden zudem eher nach Scheiterungsgründen gefragt, Männer spricht man auf ihre Erfolge an. Also ja, Frauen gründen anders, weil sie (unbewusst) diskriminiert werden. Aber: Dieses „andere Gründen“ ist wichtig, um Stereotypen aufzubrechen.
Kathrin Würdemann
In unseren Beratungen erlebe ich Frauen bei Gründungen häufig vorsichtig und zögernd. Oft mahnt das Umfeld zu Vorsicht und bremst, wo Männer eher gepusht und unterstützt werden. Ihnen wird für eine Gründung viel selbstverständlicher der Rücken freigehalten als Frauen – auch oder gerade, wenn sie Familie haben. Auch der Zugang zu Ressourcen – zeitlichen und finanziellen – ist bei Frauen begrenzter. Deshalb ist die Rückendeckung aus der Familie und dem Freundeskreis enorm wichtig.
Birkner
Frauen, die im Nebenerwerb eine Gründung starten, werden häufig mehr oder weniger belächelt. Doch wer sagt denn, dass Gründen rund um die Uhr 24/7 stattfinden muss? Das Gründungsökosystem wird leider erst langsam mutiger, neue und andere Formen von Unternehmertum als solches anzuerkennen. Auch eine Gründung im Nebenerwerb kann durch die Decke gehen und ganz viele Arbeitsplätze schaffen.
Würdemann
Ein Beispiel: Eine Frau betreibt im Nebenerwerb eine Hundeschule und managt den Familienhaushalt mit Kindern und voll erwerbstätigem Mann. Prompt kommen Fragen, wie sie es mit Familie und Kinderbetreuung vereinbart. Aber nicht, wie erfolgreich ihre Geschäftsidee ist. Die Frauen brauchen Anerkennung und Ermutigung, damit es normaler wird, in jeder Lebenslage zu gründen. Deshalb nehmen wir in unserer Beratung jede Idee ernst und prüfen sie gemeinsam auf ihre Realisierbarkeit.
Birkner
Personen, die nicht dem klassischen Gründungsstereotyp entsprechen – also etwa Frauen –, gehen ein weit höheres Risiko ein als jene, bei denen das der Fall ist. Dabei meine ich nicht nur den wirtschaftlichen, sondern vor allem auch den sozialen Aspekt. Vielfach stellt sich da schnell die Frage, wie weit jemand bereit ist, sich den vermeintlichen gesellschaftlichen Idealen anzupassen. Das zielt direkt auf die persönliche Identität ab. Deshalb finde ich jede Frau, die sich zu einer Gründung entschließt, unglaublich mutig und wichtig für das gesamte Gründungssystem.
Würdemann
Kurz gesagt: Nicht die Frauen, die gründen wollen, sind das Problem, sondern die aktuellen Rahmenbedingungen.
Birkner
Fördersysteme sind noch starr. Die Angebote sind vornehmlich auf Tech-Gründungen ausgelegt – in Vollzeit und mit der klaren Idee eines Exits. Dabei ist das nur ein ganz kleiner Bruchteil. Bei uns hier in der hallig hanken haben wir eine große Vielfalt an Personen mit sehr unterschiedlichen Bedarfen, die alle Zukunft unternehmen. Da sind etwa Unternehmerinnen, die starten mit einer ersten Idee. Im Austausch mit anderen entstehen dann mitunter weitere. Es gilt also, viel mehr auf das unternehmerische Potenzial der Menschen zu schauen.
Würdemann
Ich denke, dass zu uns in die Beratung andere Gründerinnen kommen als zu Ihnen in die hallig hanken. Viele suchen bei uns ein Ernstnehmen ihrer Ideen unter Berücksichtigung der realen Lebensbedingungen.
Birkner
Ich würde mir wünschen, dass wir genau das aufbrechen. Jeder Mensch, der unternehmerisch tätig ist, sollte an jedem Ort ein unternehmerisches Zuhause haben. Damit würden wir noch viel mehr Strahlkraft erreichen und die Vielfalt der unternehmerischen Potenziale besser heben. Der Austausch darüber, was erfolgreiches Unternehmertum ausmacht, und ein bewussteres Für- und Miteinander stärken uns alle gemeinsam.
Würdemann
Da bin ich ganz bei Ihnen. Wir beraten im Jahr rund 300 Frauen. Da gibt es mit Sicherheit eine ganze Reihe von Fragen, die sich auch andere Gründerinnen und Gründer stellen. Gemeinsam nach Antworten zu suchen, wäre garantiert eine sehr gute Sache.
Zuletzt geändert am 13. September 2024