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CHANCEN 3/24: Debatte „Wie schafft die Wirtschaft jetzt die Trendwende?“
Das Thema
Stagnation statt Wachstum: Der deutschen Wirtschaft geht es zum Jahreswechsel 2024/25 mehr schlecht als recht. Von einer Flaute spricht etwa das ifo-Institut – „während andere Länder Aufwind spüren“. Was also ist zu tun, wie lässt sich der Wind nutzen?
Es diskutieren
Christian Tönne – Ecco Unternehmensberatung
Der 57-Jährige ist seit 2007 geschäftsführender Gesellschafter bei der Ecco Unternehmensberatung Oldenburg und seit 2019 Dozent an der Universität Oldenburg.
Harald Tölle – Unternehmensbegleiter
Nach Jahrzehnten in der Firmenkundenbetreuung der Kreditwirtschaft begleitet der 59-Jährige seit 2016 als Beirat und Berater mittelständische Unternehmer bei Strategie und Finanzierung.
Lohnt es sich für Unternehmen in der derzeitigen wirtschaftlichen Situation zu investieren?
Christian Tönne
Unternehmen investieren, wenn sie das Gefühl haben, es lohnt sich und wirkt sich positiv aufs eigene Geschäft aus. Deshalb bin ich bei Ideen wie der von einem Investitionsfond skeptisch. Wenn die Rahmenbedingungen nicht passen, ergibt es keinen Sinn, einen Fonds aufzulegen. Dann wird investiert, nur um die Förderung mitzunehmen.
Harald Tölle
Die Frage, ob ich investiere, hat viele Facetten. Mittelständler sind ein bisschen wie Leistungssportler. Auf Investitionen zu verzichten, ist für sie wie der Verzicht aufs Training beim Sportler. Das kann man eine Zeit lang machen. Aber wenn die Trainingspause zu lang wird, dann wird es auch eng mit der Wettbewerbsfähigkeit.
Tönne
Wir wissen ja, dass in Deutschland in den letzten Jahren zu wenig investiert wurde. Dafür gibt es viele Gründe. Nehmen wir das Beispiel Digitalisierung, jetzt mit dem Booster KI. Natürlich müssen Unternehmen da investieren – in Ressourcen, in Know-how, vielleicht auch in Hardware. Da sehe ich aber große Probleme, denn das Thema ist sehr anspruchsvoll. Man muss sich fragen, ob die Personen, die ein Unternehmen führen, dafür aufgeschlossen sind.
Tölle
In mittelständischen Unternehmen wird die strategische Einbettung der Digitalisierung viel zu wenig beachtet. Ich bin Mitglied der Deutschen Digitalen Beiräte. Wir stellen immer wieder fest, dass zu wenig konkret am Geschäftsmodell und an der Unternehmensstrategie gearbeitet wird. So kann man die Frage, wo man investieren sollte, eben kaum beantworten.
Tönne
Genau das, was Sie ansprechen, machen zu wenig Unternehmen. Bitte nicht als Vorwurf verstehen, aber sie nehmen sich oft zu wenig Zeit für die strategischen Themen. Das ist in der jetzigen Zeit nicht gut. Ich sollte mich schon damit befassen, wo mein Geschäftsmodell in Zukunft gefährdet sein könnte. Und wo ich Gas geben muss, um nicht abgehängt zu werden.
Tölle
Zu viele Mittelständler scheuen sich auch davor, sich strategischen Input von außen zu holen. Oft werden die Chancen nicht gesehen, die das bieten kann.
Tönne
Dabei gibt es eine Menge Angebote, etwa vom Land Niedersachsen oder den IHKs.
Tölle
Ich glaube aber, dass das der jungen Generation von Unternehmensleitern leichter fällt. Wie ist da Ihre Meinung?
Tönne
Ja, die neue Generation ist da wesentlich aufgeschlossener und besser ausgebildet. Aber wir haben eben auch noch ältere Unternehmer, die mit der Digitalisierung und KI nicht so vertraut sind. Deren Erfahrungsschatz muss unbedingt genutzt werden. Aber die Unternehmen müssen die frischen Impulse nutzen.
Tölle
Ein weiterer Punkt: Wir reden uns gerne schlechter als wir sind. Ich war letztes Jahr bei einer Diskussion in Hamburg. Da wurde viel über den Standort geschimpft. Als jedoch nachgefragt wurde, wer denn deshalb mit seinem Unternehmen ins Ausland gehen würde, gab es eine ganz starke Zurückhaltung.
Tönne
Das Bild ist halt differenziert zu betrachten. Es besteht in jedem Fall eine Gefahr, einige Innovationen zu verpassen. Stichwort Elektromobilität. Wir haben es hier – wie bei der Digitalisierung – mit einer disruptiven Entwicklung zu tun. Das heißt, wenn ich den jetzigen Stand betrachte, ist alles prima. Wenn wir allerdings die nächsten Schritte verpassen, weil
immer noch Diskussionen hochkommen, dann haben wir verloren.
Tölle
Es fehlen die stabilen Rahmenbedingungen. Und es gibt nichts, was Investoren mehr scheuen als Unsicherheit. Dazu kommt das Boiling-Frog-Syndrom, das die Unfähigkeit von Unternehmen beschreibt, sich zu verändern – und die dann der Entwicklung zum Opfer fallen, so wie beispielsweise Karstadt, Quelle oder Agfa.
Tönne
Oder Kodak. Die haben bis kurz vor ihrem Ende noch Milliarden Gewinn gemacht. Dann ist die digitale Fotografie durch die Decke gegangen, und sie waren weg vom Fenster. Immerhin haben wir in Oldenburg mit Cewe ein Beispiel, dass es auch anders geht, wenn man rechtzeitig in die Zukunft investiert.
Tölle
Aber das erfordert Mut.
Tönne
Um diesen Mut zu haben, muss man sich intensiv mit den Bedingungen seines Unternehmens und seiner Branche auseinandersetzen und die Perspektiven ausloten.
Zuletzt geändert am 18. Dezember 2024