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Inas Kaffee-Pott-Cast Folge 6, 1. Teil
Inas Kaffee-Pott-Cast Folge 6: Bürgermeisterin Christine Wolff zu Gast bei Inas Kaffee-Pott-Cast: „Ein bisschen Mut braucht man schon“
Es ertönt eine fröhliche Gitarrenmusik und das Geräusch von Kaffee, welcher in eine Tasse eingegossen und anschließend mit einem Löffel umgerührt wird; danach hört man, wie der Löffel leicht an der Tasse abgeklopft wird.
Ina begrüßt die Hörerinnen und Hörer: „Herzlich willkommen zu Inas Kaffee-Pott-Cast, direkt aus dem Treffpunkt Gemeinwesenarbeit, ein Ort für Frauen. Und ich freue mich, dass ich heute eine ganz besondere Gästin hier habe. Sie sagt selbst, es geht darum, die Stimme zu erheben für Frauen. Ich freue mich sehr, dass Sie da sind: Unsere Bürgermeisterin und Ratsfrau Christine Wolff. Herzlich willkommen!“
Christine Wolff entgegnet freudig: „Ganz vielen Dank für die Einladung zu Inas Pott-Cast! Den Namen finde ich übrigens sehr gut (beide lachen). Vielen Dank für die Einladung, ich freue mich wirklich sehr, hier etwas über Frauen zu sagen, wie ich darüber denke und mich einfach ein bisschen austauschen zu können.“
Ina beginnt direkt mit der ersten Frage: „Bürgermeisterin und Ratsfrau… 1919 zogen die ersten sieben Ratsfrauen in den Oldenburger Stadtrat ein. Darüber gibt es ja ein schönes Buch was die Stadt Oldenburg veröffentlicht hat, das da heißt „Sie haben das Wort". Ganz in diesem Sinne möchte ich jetzt auch beginnen. Frau Wolff, Sie haben das Wort!“
Diese Aufforderung nimmt Christine Wolff an: „Im Jahr 2019, als wir nunmehr 100 Jahre Frauenwahlrecht hatten, haben wir Ratsfrauen Geld in den Haushalt gestellt um ein Buch aufzulegen, nämlich „Die Oldenburger Ratsfrauen - von Anfang an". Das Buch sollte zuerst heißen „Sie haben das Wort, Frau Ratsherr".“
Ina ist nun ganz erstaunt: „Frau Ratsherr? Sehr interessant!“
Christine Wolff erklärt weiter: „Genau, so wurden die Ratsfrauen damals angesprochen. Wir haben uns dann dagegen entschieden, dass das Buch so heißen soll. Es heißt jetzt nur noch "Sie haben das Wort". Aber tatsächlich war es damals „Frau Ratsherr". Es gab vor nicht allzu langer Zeit mal die Debatte, ob die Ratsfrauen nicht Ratsdamen heißen sollen. Die Männer heißen ja auch nicht Ratsmänner, sondern Ratsherren. Um dem ein Pendant zu bieten, hat man das überlegt, aber dagegen haben sich die Frauen entschieden ausgesprochen und haben gesagt: „Wir wollen keine Ratsdamen sein. Das hört sich abgeschwächt an, Ratsfrauen hört sich einfach stärker an."
Ina pflichtet Christine Wolff bei: „Da stimme ich absolut zu! Und da wir gerade bei gendergerechter Sprache sind, bei "Dame" denke ich sofort an hohe Schuhe...“
„...und lackierte Fingernägel“ ergänzt Christine Wolff.
Ina fährt zustimmend fort: „Genau, richtig - und man kann sie schubsen und dann fällt sie zur Seite oder in Ohnmacht. Aber eine Ratsfrau, die krempelt die Ärmel hoch, packt an und setzt sich ein.“
Christine Wolff kommt auf das vorherige Thema zurück: „Ja! Und noch mal zu der gendergerechten Sprache: Ich denke je mehr wir diese gendergerechte Sprache einfordern als Frauen, desto eher wird sich auch Denken insgesamt wandeln und Denken in die Richtung ändern, dass wir einen partnerschaftlichen Umgang zwischen Männern und Frauen finden.“
Ina unterstreicht die vorherige Aussage: „Wort schafft Bild. Und ohne die richtigen Worte haben wir auch nicht die richtigen Bilder im Kopf - schon gar nicht die Frauen, die hinter dem Wort stehen und agieren. Aber ich finde es trotzdem sehr spannend, dass Sie zum Thema "gendergerechte Sprache" ein klares Statement haben und sagen: "Das muss und das ist wichtig - in der Politik und auch für Frauen!"
Christine Wolff stellt fest: „Es ist insgesamt, also gesellschaftlich wichtig, dass Frauen dies immer wieder einfordern.“
Ina spricht die nächste Frage aus: „Als Bürgermeisterin ist es Ihre Aufgabe, den Oberbürgermeister bei offiziellen Anlässen zu vertreten. Sie selbst sind ja 2014 durch das Mentoring-Programm „Frau. Macht. Demokratie" in die Politik gekommen. Ist das richtig?“
Christine Wolff korrigiert Inas Aussage: „Nicht so ganz: Die letzten Kommunalwahlen hatten wir ja 2016. Und ein Jahr vorher wird stets vom Sozialministerium bzw. dem niedersächsischen Sozialministerium das Programm „Politik braucht Frauen" für Frauen angeboten, um in die Kommunalpolitik reinzuschnuppern. Dieses Jahr haben wir ja wieder Kommunalwahlen und vor einem Jahr wurde daher das Programm für die Frauen angeboten, welches nun „Frau. Macht. Demokratie" heißt.
Ina fragt nach: „Das ist ein ähnliches Programm wie 2016?“
Christine Wolff erklärt: „Das ist das gleiche Programm, es hat aber immer einen anderen Namen. Als ich also damals von dem Programm "Politik braucht Frauen" hörte, habe gedacht: "Das stimmt, das sehe ich auch so, ganz dringend braucht Politik Frauen." Wir sind die Hälfte der Bevölkerung, also sollten auch die Hälfte der Räte Frauen sein.“
Ina stimmt Christine Wolff zu: „Genauso ist es! In Oldenburg sieht es ja gar nicht so schlecht aus mit dem Frauenanteil im Rat. Wie ist der zurzeit?“
Christine Wolff antwortet: „Ich würde mal sagen circa 40% Frauen, 60% Männer.“
Ina entgegnet: „Da können wir zumindest einigermaßen zufrieden sein.“
Christine Wolff ist nicht sehr überzeugt: „Einigermaßen - es ist immer Luft nach oben.“
Ina möchte wissen: „Gab es denn bei Ihnen einen Auslöser, dass sie gesagt haben: „So jetzt ist der Zeitpunkt, ich muss jetzt in die Politik gehen!"?“
Nun erzählt Christine Wolff etwas von Ihrer politischen Karriere: „Das erste Mal, dass ich die Idee hatte, in die Politik zu gehen, da war ich ungefähr 30 und das ist jetzt 30 Jahre her. Das war eine Zeit, in der wir über gendergerechte Sprache noch nicht allzu viel nachgedacht haben. Da haben wir auch noch nicht so viel über Diskriminierung von Frauen in der breiten Öffentlichkeit nachgedacht. Natürlich gab es Vorreiterinnen, die sich für Emanzipation eingesetzt haben. Aber die wurden von vielen Männern damals noch belächelt. Man mag das gar nicht glauben, dass das erst 30 Jahre her ist. In dieser Zeit habe ich gesehen, dass Frauen sich so viel gefallen lassen und dachte: „Das kann nicht so weitergehen!“ Ich erinnere noch Szenen, in denen ich mit Freunden am Tisch sitze und die Männer wirklich derbe, sexistische Sprüche gemacht haben. Keine Frau hat den Mund aufgemacht. Ich erinnere mich auch noch daran, wie ich einmal irgendwann meinen Teller weggeschoben habe, aufgestanden und weggegangen bin. Das war schon eine richtig wilde Protestkundgebung.“
Ina ist verblüfft: „Einen richtigen Affront haben Sie sich da geleistet den anderen gegenüber!“
Christine Wolff sagt darauf: „Ja! Ich weiß gar nicht, was sich die Frauen heute einfallen lassen würden in so einer Situation, aber so harmlos würde das glaube ich nicht mehr abgehen - hoffentlich!“ (sie lacht).
Ina führt das Thema weiter aus: „Sexistische Sprüche gibt es ja in vielen Ausprägungen und egal in welchem Kontext, sie verletzen einfach. Ich finde es wichtig, hier ein Zeichen zu setzen und aufzustehen. Das sollten Frauen auch viel öfter machen.“
Christine Wolff stimmt Ina zu und fährt mit ihrer persönlichen Geschichte fort: „Dann kamen natürlich andere Lebensumstände hinzu und ich habe es immer wieder verschoben, in die Politik zu gehen. Aber bevor 2016 gewählt wurde, las ich einen kleinen Artikel in der Zeitung. Es ging eben genau um dieses Mentoring-Programm. Ich habe mir gesagt: „Okay, jetzt sind die Kinder groß. Bis ich vielleicht gewählt werde in den Rat, muss ich denen auch nicht mehr über die Schulter gucken und dann werde ich das machen, was ich eigentlich vor 30 Jahren tun wollte.“ Da hatte ich den Rücken frei und habe es dann auch gemacht.“
Ina möchte anerkennend ergänzen: „Es ging aber dann ganz schnell hoch in den Rat und auch bis zur Bürgermeisterin! Ihre Karriere ist dann ja auch innerhalb weniger Jahre passiert.“
Christine Wolff schmunzelt: „Eigentlich während weniger Wochen (beide lachen). Dann habe ich mich einer Partei angeschlossen und habe ein Jahr lang das Mentoring-Programm mitgemacht. Ich habe festgestellt: „Ja, das kann ich gut in mein Leben integrieren. Ich habe die Zeit dafür, ich habe den Ehrgeiz und die Intension." Daher habe ich mich auf einen Listenplatz beworben - es hat tatsächlich funktioniert und ich bin in den Stadtrat gewählt worden. Dann ist natürlich die Frage: „Wie wird man Bürgermeisterin?““
Ina möchte direkt an diese Frage anknüpfen: „Ja genau, das ist eine sehr gute Frage…Vielleicht können Sie sich das so vorstellen: Da steht jetzt auf dem Marktplatz Bloherfelde ein 10-jähriges Mädchen und fragt: „Wie wird man eigentlich Bürgermeisterin?““
Christine Wolff erklärt, wie der Werdegang zur Bürgermeisterin sein kann: „Mit der Vorgeschichte, die ich eben schon erwähnt habe. Man schließt sich einer Partei an, wird Teil einer bestimmten Gruppe, welche in den Stadtrat kommt. Die Gruppe, die dort für eine Partei im Stadtrat auftritt, nennt man Fraktion. Innerhalb der drei größten Fraktionen durfte eine Bürgermeisterin bzw. ein Bürgermeister benannt werden. Bis vor dieser Zeit waren übrigens immer zwei Bürgermeister bzw. Bürgermeisterinnen benannt worden. Diesmal durften laut des niedersächsischen Kommunalverfassungsgesetzes - wegen der wachsenden Einwohnerzahl Oldenburgs - drei Personen benannt werden. Die drei stärksten Parteien, das waren die CDU, die SPD und die Grünen, wurden aufgefordert, jeweils eine Person zu benennen. Und da hat meine Fraktion mich gefragt, ob ich dieses Amt denn übernehmen wolle. Ich habe - wie Frauen das gerne tun - gesagt: „Auf gar keinen Fall! Das kann ich nicht.““
Ina fragt genauer nach: „Der Schuh war eine Nummer zu groß? Oder was war das Hemmnis?“
Christine Wolff erklärt ihre persönlichen Gedanken: „Ich habe gedacht, dass ich ja ganz neu in der Politik bin und gar nicht weiß, ob ich das alles richtig machen kann. Ich habe mich gefragt, ob ich den Anforderungen und Erwartungen, die an mich gestellt werden, auch wirklich gerecht werden kann.
Dann habe ich da vielleicht zwei Nächte drüber geschlafen und habe gedacht: „Aber so eine Chance kommt auf der anderen Seite so schnell nicht wieder!“ Das birgt ja auch so einen gewissen Reiz in sich, mal ganz andere Erfahrungen zu machen. Da bin ich tatsächlich über meinen Schatten gesprungen und habe gesagt: „Ich mache das mal. Ich mache das, Augen zu und durch!“
Nachdem die Fraktion jemanden benannt hat, muss man sich natürlich dem Rat präsentieren und letztendlich wird man vom Rat der Stadt Oldenburg gewählt.
Ina möchte noch mehr dazu wissen: „Und haben Sie es bereut, dass Sie es gemacht haben? Oder haben Sie vielmehr bereut, dass Sie es nicht eher gemacht haben, also sich politisch aufzustellen?“
Christine Wolff antwortet darauf: „Ja zum Bürgermeisterinnenamt gesagt zu haben, habe ich bestimmt nie und zu keiner Zeit bereut. Es ist wirklich eine Bereicherung in meinem Leben. Das kann ich nicht anders sagen. Ich habe so viele interessante Begegnungen gehabt, ich habe mich mit so vielen spannenden unterschiedlichen Themen beschäftigen dürfen. Ich habe Leute kennenlernt, die ich unter anderen Bedingungen nicht kennengelernt hätte. Ich habe gemerkt, welche Chancen dieses Amt auch bietet, Leute miteinander zu vernetzen, weil man auf vielen Ebenen kommuniziert und viele Leute im Rahmen verschiedener Themen kennenlernt. Und das würde ich gar nicht mehr missen wollen. Zur andere Frage: Ja, ich wäre nach diesen Erfahrungen gerne früher in die Politik eingestiegen.“
Ina denkt positiv: „Das glaube ich, aber sie haben ja noch viele Möglichkeiten und Zeit vor sich, politisch aktiv zu bleiben und zu werden. Und darauf freuen wir uns, das darf ich schon mal sagen.“
Christine Wolff entgegnet: „Vielen Dank, ich dann auch - aber man muss ja auch immer erst mal gewählt werden!“
Nun möchte Ina etwas über etwaige Vorbilder von Christine Wolff erfahren: „Hatten Sie denn in Ihrer Kindheit weibliche Vorbilder oder auch politische weibliche Vorbilder, die sie sozusagen motiviert haben, etwas in der Welt bewirken zu wollen? Also um einmal auf Inas Kaffee-Pott-Cast zurück zu kommen: Hatten Sie Heldinnen in Ihrer Kindheit, die sie dazu animiert haben, politisch oder auch generell aktiv zu werden, aufzustehen und Stimme zu erheben?“
Prompt entgegnet Christine Wolff: „Alice Schwarzer.“ (beide lachen)
Das gefällt Ina: „Ja super!“
Jetzt fragt Christine Wolff nach: „Alice Schwarzer ist Ihnen noch ein Begriff?“
„Aber sicher!“ antwortet Ina.
Christine Wolff fährt fort: „Viele junge Leute können heute mit dem Namen Alice Schwarzer gar nichts mehr anfangen. Aber die Alice Schwarzer war damals vielen Männern ein großer Dorn im Auge. Mir hat diese Frau immer sehr imponiert. Sie war einfach so geradeaus und so frech, so angstfrei. Die fand ich schon richtig gut. Und ich denke auch, dass ich mich über weite Strecken an ihr orientiert habe oder versucht habe, zu orientieren.“
„Das wird sie wahrscheinlich gerne hören! Eine streitbare Persönlichkeit, aber für die Frauenbewegung ein Meilenstein, allein schon ihr Magazin. Oder?“ Ina möchte dieses Thema weiter vertiefen.
Frau Wolff ist überzeugt: „Unbedingt. Ich glaube sie hat auch viele Frauen aufgeweckt.“
Ina nutzt die Gelegenheit und führt etwas tiefer in den Feminismus ein: „Das glaube ich auch. Auch wenn jetzt viele jüngere Frauen in ihr ein rotes Tuch sehen. Feminismus spaltet sich ja auch ein wenig in die alt-feministischen Frauen, zu denen auch ich mich zähle und in die ganz jungen universitären Frauen, die einen ganz anderen Feminismus verfolgen. Es ist schade, dass es da zwei spaltende Lager gibt und wir nicht alle zusammen für eine Sache kämpfen. Aber vielleicht muss für die Entwicklung so sein.“
Diese Vermutung möchte Christine Wolff bestärken: „Ich glaube, man muss das immer auch im Zeitrahmen sehen. Sie sind ja noch um einiges jünger (lacht). Wir haben noch für grundsätzliche Dinge gekämpft. Für Feminismus, für Gleichberechtigung. Wir sind ja heute in weiten Teilen wirklich schon auf einer anderen Ebene angelangt: Wir kämpfen noch um viele Sachen, wie gleiche Bezahlung. Es gibt also noch genügend offene Baustellen. Aber ich glaube, es gibt nicht mehr dieses Grundsätzliche. Daher kann ich das schon verstehen, dass es heute auch eine Weiterentwicklung gibt und die muss es meiner Meinung nach auch geben. Was mir Sorgen macht ist, wenn ich heute Mädchen sehe, die Jungs wieder mit diesem Blick von unten nach oben angucken. Da würde ich gern hin und einschreiten, wenn ich sowas sehe. Wenn junge Menschen vor den Schulen stehen und ich sehe, wie mädchenhaft sich die Mädchen benehmen - da denke ich, das ist ein Rückschritt.“
Ina pflichtet Christine Wolff bei: „Mädchen bleibt auf Augenhöhe, möchte man da sagen. Es gibt so viele Strömungen und diese unter dem feministischen Blickwinkel zusammenzufassen, ist schwierig. Da gibt es den Feminismus an der Basis und den intellektuellen Feminismus der Universitäten, welchen ich sehr spannend finde, der aber auch weiter entfernt ist, von der aktiven Arbeit mit Frauen, die auch z.B. hier im Viertel leben.“
Christine Wolff möchte gern positive Entwicklungen heraus stellen: „Also ich denke, es hat schon eine riesige Weiterentwicklung gegeben. Ich habe über viele Jahre im Gymnasium Eversten die Bücherei aufgebaut und dabei einen großen Einblick in die Schule gewonnen. Dort gab es sehr engagierte Mädchen, die dort auch die Bücherei organisiert haben und sich von den Jungs nicht in die Suppe spucken ließen, um das einmal etwas salopp zu sagen. Das macht schon Hoffnung!“
Diese Sichtweise teilt Ina und erzählt daher von ihren Erfahrungen: „Ich war 23 Jahre auf dem Abenteuerbauspielplatz und habe dort Mädchenarbeit gemacht. Das war eine ganz tolle Zeit. Die Mädchen sind dann stark und bestärkt aus diesen Mädchengruppen und auch aus der Arbeit Pferden gegangen. Es gefiel den Lehrern bzw. Lehrerinnen und Eltern gar nicht mal so sehr, dass die Mädchen plötzlich aufmüpfig wurden, hinterfragt haben und ganz genau wissen wollten, wieso denn dies oder jenes so ist. Das ist ja auch mit der Frauenarbeit so: Es passt eben nicht jedem Menschen, wenn Frauen auch mal kritisch nachfragen.“
Daran möchte Christine Wolff ein anderes Thema anknüpfen: „Das stellt natürlich auch die Rollenverteilung in Frage. Ich bin noch nach dem typischen Rollenbild erzogen worden. Meine Kinder habe ich schon ganz anders erzogen, indem ich sie Rollenbilder aktiv in Frage stellen lassen habe. Und das ist natürlich immer so die Frage der eigenen Sozialisation, wie man mit Rollenbildern umgeht und inwiefern man zulässt, diese zu hinterfragen.“
Hier möchte Ina gern weiteres wissen: „Und ist Ihnen das denn als Kind oder junges Mädchen aufgefallen, dass Sie in einem klassischen Rollenbild erzogen wurden oder ist Ihnen das erst später als Frau klar geworden, dass Ihre Eltern Sie vielleicht ziemlich traditionell als Mädchen bzw. Frau erzogen und Dinge von Ihnen erwartet haben?“
Christine Wolff führt zustimmend aus: „Ich glaube von dem ersten Tag an, als ich klar denken konnte, war mir klar, da gibt es Unterschiede. Ich hatte einen älteren Bruder, das war echt der Prinz, der Stammhalter - so hieß das damals noch. So wurde er erzogen. Und für Mädchen war der Tenor: „Berufswahl.. ach naja, so wichtig ist das ja auch nicht. Letztendlich bleiben Mädchen ja doch zu Hause und ziehen die Kinder groß.“ Das war schon sehr traditionell.“
Ina fragt weiter nach: „Also nach dem Motto: Die Schule fertig machen, in eine Ausbildung gehen und der Rest wird sich dann im Leben finden. Oder haben Ihre Eltern große Pläne gehabt, dass Sie Bürgermeisterin werden? Das haben sich Ihre Eltern wahrscheinlich nicht träumen lassen!“
In diesem Zuge spricht Frau Wolff noch einen anderen Aspekt an: „In der Tat ist es so, dass meine Eltern eher noch zu denen gehörten, die vermutlich ein bisschen Respekt davor hatten, dass ihre Kinder mehr erreichen als sie selbst. Damit verbunden war dann die Sorge, im eigenen Rollenverhalten als Vater und Mutter sowie vor allem als Respektperson in Frage gestellt werden zu können. Wir mussten schon eher unseren Weg selbst finden.“
„Wo sind Sie aufgewachsen?“ möchte Ina wissen.
Christine Wolff erzählt: „Ich bin seit 20 Jahren hier in Oldenburg und kam aus dem Frankfurter Raum hierher.“
Ina interessiert, ob sich Chrstine Wolff hier in Oldenburg als ehemals Zugezogene wohl fühlt: „Aber Sie haben es nie bereut, in das schöne Oldenburg gezogen zu sein, oder fehlen Ihnen manchmal auch der Odenwald, die Natur und die Berge?“
Das kann Chrstine Wolff nicht bestätigen: „Nein, es war eine meiner besten Entscheidungen, nach Oldenburg zu gehen. Ich habe das Gefühl, dass ich genau hierher gehöre. Ich mache ja neben meiner politischen Arbeit und Arbeit als Bürgermeisterin auch Stadtführungen. Daher habe ich mich intensiv mit der Stadtgeschichte beschäftigt. Oldenburg ist echt meine Heimatstadt.“
Nun ist Ina erneut verblüfft: „Sie machen Stadtführungen? Kann man Sie also buchen als Stadtführerin?“
Bescheiden entgegnet Christine Wolff: „Ja aber wir wollen jetzt hier keinen Werbeblock einlegen...“ (beide lachen)
Ina ist direkt begeistert: „Vielleicht kann ich ja mal mit meiner Frauengruppe an einer Stadtführung mit unserer Bürgermeisterin Christine Wolff teilnehmen, das wäre aber wirklich toll!“
„Das schneiden Sie dann später bitte raus!“ bittet Christine Wolff schmunzelnd.
Ina protestiert: „Also ich finde das sehr sympathisch.“
Nun berichtet Christine Wolff weiter: „Ich mache ja auch kulinarische Stadtführungen. Ich gehe mit meinen Gästen von Restaurant zu Restaurant und erzähle dabei etwas über Stadtgeschichte. Dabei wird auch gegessen und getrunken.“
Auch diesen Aspekt findet Ina interessant: „Das ist ja ein guter kultureller Tipp in Oldenburg, das sollten wir festhalten! Nun wieder zurück zur Politik und zum Thema „Mitbestimmung im Stadtteil“. Sie haben sich ja einmal als „Frau des Stadtteils“ bezeichnet, weil sie ja auch hier in Bloherfelde wohnen. Wie sehen Sie das mit der Mitbestimmung für Frauen im Stadtteil, welchen Rat würden Sie einer Frau hier im Kennedyviertel geben, die sich politisch engagieren möchte und welchen Weg kann sie dazu konkret gehen?“
Hier möchte Christine Wolff zunächst einmal relativieren: „Ich denke, politisch engagiert man sich nicht nur dann, wenn man in einer Partei oder Fraktion ist. Politisch engagiert man sich, wenn man sich gesellschaftlich einsetzt für eine Gruppe oder insgesamt für gesellschaftliche Themen.“
Ina fragt noch einmal genauer nach: „Das heißt, wenn man sich für sein Wohnquartier oder seinen Stadtteil einsetzt, z.B. auf mangelnde Beleuchtung in einem dunklen Weg aufmerksam macht oder auch Angst-Orte für Frauen im Wohnviertel anspricht, ist das politische Arbeit?“
„Auf jeden Fall. Dann geht es nur noch darum, festzustellen, wie ich mit meinem Anliegen weiterkomme.“ stimmt Christine Wolff zu.
Ina kombiniert: „Das ist ja dann oft das Schwierigste, die richtigen Ansprechpartner zu finden, die nicht nur zuhören sondern auch aktiv werden, die Anregungen umzusetzen.“
Etwas erstaunt sagt Chrstine Wolff: „Ich finde es schade, dass Sie sagen "das ist das Schwierigste", das sollte es eigentlich nicht sein. Deshalb finde ich es gut, dass wir hier sitzen und ich hier sitze. Ich kann so deutlich machen, dass es eigentlich gar nicht so schwierig ist.“
„Ich finde es auch nicht schwierig, aber dennoch scheint es doch für viele Frauen schwierig zu sein. Also, was kann frau tun?“ fragt Ina daraufhin.
Chrstine Wolff antwortet: „Wir bleiben mal beim Beispiel „Angstorte für Frauen“. Möglicherweise gibt es hier in der Kennedystraße Winkel, in denen ich mich als Frau fürchte, sodass ich dort zu bestimmten Zeiten nicht entlang gehe, weil es ein ungutes Gefühl macht. Dann würde ich mich als Frau fragen, ob es noch anderen Frauen so geht oder es nur mein subjektives Angstempfinden ist, ich vielleicht ein bisschen überempfindlich bin oder ob es anderen auch so geht. Wenn ich dann mehrere Frauen finde, die sagen „mir das ist mir auch immer schon aufgefallen, da mache ich einen großen Bogen“, dann kann man hier in Bloherfelde z.B. zum „Runden Tisch“ gehen. Da ist auch die Gemeinwesenarbeit vertreten. Also das wäre schon einmal eine Möglichkeit das Thema im „Runden Tisch“ einzubringen. Dort werden nämlich Stadtteilthemen auf den Tisch gebracht.“
Zu dieser Möglichkeit möchte Ina mehr erfahren: „Das würde dann so sein, dass eine Gruppe von Frauen, denen etwas im Stadtteil auffällt, sich an uns, die Gemeinwesenarbeit oder auch an ein anderes Mitglied des „Runden Tisches“ wendet. Dort würde das Thema dann vorgebracht werden, entweder durch die Gemeinwesenarbeit oder durch die Frauen selbst. Und wie geht es dann weiter?“
Christine Wolff erklärt weiter: „Am runden Tisch sitzen ja auch noch die Offene Tür Bloherfelde und verschiedene Vereine, auch ich bin eine Teilnehmerin. Ich würde dann sagen: Das ist ein wichtiges Thema, das nehme ich mit in die Fraktion. Jetzt kann man dieses Thema weiter parteipolitisch verfolgen. Man könnte z.B. eine Anfrage an den Oberbürgermeister stellen; auf die dunkle Ecke in der Kennedystraße aufmerksam machen und fragen, welche Möglichkeiten nach Abhilfe die Verwaltung sieht.“
Ob es auch direktere Möglichkeiten gibt, erfragt Ina nun: „Dürfte denn eine Frau aus dem Viertel sich selbst an den Oberbürgermeister oder die Oberbürgermeisterin wenden?“
Christine Wolff erläutert weitere Vorgehensweisen: „Auf jeden Fall. Es gibt verschiedene Möglichkeiten: es gibt zum einen eine Oberbürgermeister-Sprechstunde. Auf der Homepage der Stadt Oldenburg findet man dazu die Kontaktdaten. Darüber hinaus kann man Fraktionen oder Vertreter der Fraktionen bzw. Mitglieder des Stadtrats ansprechen. Auch hat man die Möglichkeit, mich anzusprechen, auch meine Kontaktdaten stehen auf der Homepage der Stadt Oldenburg. Es gibt außerdem noch die Möglichkeit der Einwohnerfragestunde. Wir haben ja auch 14 oder 16 Ausschüsse verschiedenster Art, z.B. einen Sozialausschuss, eine Schulausschuss, einen Jugendhilfeausschuss und einen Bauausschuss. Und vor jedem dieser Ausschüsse gibt es eine Einwohnerfragestunde. Hier können Einwohnerinnen und Einwohner ihre Problematiken loswerden. Sinnvollerweise sollte man dieses Thema erst einmal im Büro des Oberbürgermeisters eingeben, damit die Personen der Ausschüsse die Möglichkeit haben, sich auf die Frage vorzubereiten.“
Ina ist überrascht: „Also das sind ja sehr viele Möglichkeiten und die hören sich auch wirklich danach an, als könnte man etwas bewirken. Da kann man ja nur wirklich alle Menschen, die in Oldenburg leben dazu motivieren, sich für ihren Stadtteil, ihr Lebensumfeld und verbesserungswürdige Dinge einzusetzen.“
Eine weitere Möglichkeit möchte Christine Wolff noch ansprechen: „Da fällt mir ein: Wir haben auch noch sehr aktive Bürgervereine, die immer ein offenes Ohr haben. Ich finde, dass die Wege zu all diesen Institutionen nicht weit sind. Wenn man ein Anliegen hat und dieses wichtig genug findet, dann wird frau diesen Weg auch so gehen.“
Ina möchte eine wichtige Frage aussprechen: „Darf ich Sie mal so direkt etwas fragen, Frau Wolff? Wir hatten vor einem Jahr zum 8. März unser großes Frauenfest in der OT Bloherfelde gefeiert und haben dort erstmalig einen runden Tisch nur für Frauen des Stadtteils organisiert. Das war ein sehr schönes und anregendes Gespräch mit ungefähr 20 Frauen am Tisch. Dann kam Corona und wir konnten das nicht weiter verfolgen. Ziel ist es aber weiterhin, einen runden Tisch für Frauen des Stadtteils Bloherfelde zu führen, um eben genau mal solche Dinge zu erörtern. Dieser runde Tisch ist nur für Frauen, weil ich glaube, dass Frauen in einer gemischten Runde nicht so sehr ihr Wort erheben oder vielleicht befangener sind. Dürften wir Sie zu dem nächsten runden Tisch für Frauen einladen und wären sie dafür offen?“
„Also, wenn Sie nicht diese Einladung an mich ausgesprochen hätten, dann hätte ich jetzt gefragt, ob ich zu diesem runden Tisch nicht mal kommen darf.“ entgegnet Christine Wolff erfreut.
„Fantastisch! Das ist ja schön!“ sagt Ina begeistert.
Christine Wolff fügt noch hinzu: „Das habe ich mir nämlich schon notiert und ich hatte das auch verfolgt, dass es diesen runden Tisch gibt. Zu dem letzten Treffen wäre ich auch so gerne gekommen, aber leider war ich nicht Oldenburg. Ich möchte mich sehr gerne anbieten und würde mich freuen, wenn ich eingeladen werde.“
Ina antwortet darauf: „Sehr gerne! Dann können wir das als die Geburtsstunde des Runden Tisches für Frauen im Bloherfelde festhalten. Ich muss allerdings dazu sagen, dass die Anregung für diese wunderbare Idee von Frau Arbeiter-Scheele aus der Kita Kennedystraße kam.“
Zuletzt geändert am 17. Februar 2023