Hochwasserschutz durch Klimaanpassung

Worauf es ankommt, um das Risiko für künftige Hochwasserereignisse zu senken

Stadtentwickler im Interview

Eine Kombination aus starken anhaltenden Regenfällen und Sturmfluten hatte über Weihnachten und Silvester 2023 zu wochenlangem Hochwasser » in Oldenburg geführt. Durch Deiche, Sandsäcke und mobile Barrieren konnte die Gefahr zwar gebannt werden. Doch wie kann man solchen Ereignissen – die durch den Klimawandel voraussichtlich häufiger auftreten werden – künftig vorbeugen? Wie hängen Stadtentwicklung und Wassermanagement zusammen? Robert Sprenger, Leiter des Amtes für Umweltschutz und Bauordnung, und Sven Corbes, Fachdienstleiter Stadtentwicklung und Bauleitplanung, sprechen im Interview über die Bedeutung der Entsiegelung, den Begriff der Schwammstadt und das geplante Klimaanpassungsgesetz.

Wer ist in Oldenburg für das Wassermanagement zuständig?

Sprenger: In Oldenburg gibt es historisch gewachsene Strukturen mit den Wasser- und Bodenverbänden, die innerhalb des Stadtgebietes diese Aufgabe meistern: der I. und II. Oldenburgische Deichband, die Haaren-Wasseracht und Hunte-Wasseracht, der Entwässerungsverband Wüsting, die Moorriem-Ohmsteder Wasseracht sowie der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN). Besonders Haaren- und Hunte-Wasseracht sowie NLWKN hatten während des Weihnachtshochwassers im Krisenstab ihren festen Platz. Sie haben dafür gesorgt, dass die Abflusssysteme der Haaren sowie zwischen Hunte, Osternburger Kanal, Bümmersteder Fleth, dem Hochwasserentlastungsbauwerk Tungeln, der Schleuse Küstenkanal, dem Wasserkraftwerk der EWE und dem Hunte-Sperrwerk in Elsfleth so aufeinander abgestimmt wurden, dass der Druck auf die durchweichten Deiche deutlich gemindert werden konnte.

Welche Rolle spielen Überflutungsflächen, Regenrückhaltebecken und Kanäle?

Sprenger: Sie spielen eine große Rolle, um Hochwasser zu vermeiden – oder so zu verzögern, dass rechtzeitig Gegenmaßnahmen eingeleitet werden können. Bei Hochwasserereignissen durch Sturmfluten können die Polder am Unterlauf der Hunte (zum Beispiel Moorhauser und Ohmsteder Polder) genug Wasser aufnehmen, um die besiedelten Bereiche von Oldenburg zu schützen. Auch Überschwemmungsgebiete am Mittellauf der Hunte und Haaren helfen, Hochwasserspitzen zu entschärfen. Während des Weihnachtshochwassers sind diese Flächen alle vollgelaufen. Zu prüfen ist, ob in Zukunft weitere Bereiche als Überschwemmungsgebiete dienen können. Dabei sind nur überregionale Überlegungen sinnvoll, die ein gesamtes Flusssystem betrachten.

Corbes: Durch eine wassersensible Stadt- und Freiraumgestaltung können Schäden zusätzlich abgemildert werden. Dabei gilt: Je höher der Anteil versickerungsfähiger Flächen im Stadtgebiet ist und je leistungsfähiger sie sind, desto besser. Dabei kommt dezentralen Lösungen große Bedeutung zu. Regenwasser sollte möglichst vor Ort versickert werden, um das abzuleitende Wasser zu reduzieren und Gräben oder Kanäle vor Überlastung zu schützen. Dem Ziel eines naturnahen Wasserhaushaltes sollte sich daher so weit wie möglich angenähert werden. Als entsprechender Zielzustand wird häufig der Begriff „Schwammstadt“ verwendet – das bedeutet, dass städtische Systeme im besten Fall in der Lage sind, überschüssiges Wasser wie ein Schwamm zu absorbieren und zeitverzögert an die Bewässerungssysteme abgeben.

Bei der letzten Hochwasserlage hätten die Grundstücke westlich der Sandkruger Straße, auf der Seite zum Fleth, nur schwer geschützt werden können. Darf in solchen und ähnlichen Gebieten trotz des Hochwasser-Risikos noch neu gebaut werden?

Corbes: Der NLWKN hat bereits im Jahr 2019 Gefahren- und Risikokarten für das Küstengebiet und Flüsse erstellt, anhand derer Risikogebiete für Überflutungen ermittelt wurden. Einige Wohngebiete westlich der Sandkruger Straße liegen demnach in einem Risikogebiet, jedoch außerhalb von Überschwemmungsgebieten. Auf bereits bestehende Baurechte, zum Beispiel im Bereich des Dorfs Bümmerstede, hat das zunächst keine Auswirkungen. Grundsätzlich sind aber bei allen Bauvorhaben in Risikogebieten der Hochwasserschutz unter den Aspekten Schutz des Lebens und der Gesundheit sowie die Vermeidung erheblicher Sachbeschädigung in besonderem Maße zu berücksichtigen. Die Flethflächen selbst liegen in einem gesicherten Überschwemmungsgebiet und können somit nicht bebaut werden. Auch anderswo sichert der Flächennutzungsplan der Stadt Oldenburg viele Gebiete, die direkt an die Hunte, Haaren oder den Küstenkanal angrenzen, als Bereiche, in denen nicht gebaut werden darf. Diese sind oft als Landschaftsschutzgebiete oder Naturschutzgebiete ausgewiesen.

Inwiefern muss der Hochwasserschutz im Zuge der Stadtentwicklung noch stärker berücksichtigt werden?

Corbes: Jeder nicht versiegelte Quadratmeter Boden hilft. Der Fachdienst Geoinformation und Statistik hat für das Stadtgebiet eine jährliche zusätzliche Versiegelung von durchschnittlich 17,5 Hektar zwischen 2017 und 2021 ermittelt. Der Fachdienst Stadtentwicklung und Bauleitplanung hat 2022 ein städtebauliches Innenentwicklungskonzept erarbeitet, das unter anderem die Grundstücksversiegelung durch Garagen oder Zufahrten regelt – und zwar künftig auch für ältere Bebauungspläne. Für nach 1990 aufgestellte B-Pläne gelten bereits Regelungen. Das Niedersächsische Klimagesetz geht noch weiter: Demnach müssen Gemeinden bis Ende 2028 Flächen ermitteln, die entsiegelt werden könnten. Um das Ziel zu erreichen, die Versiegelung bis 2030 auf durchschnittlich 2 Hektar pro Jahr zu reduzieren, ist ein Konzept erforderlich, das sowohl Maßnahmen zur Reduzierung weiterer Versiegelungen als auch Entsiegelungsmöglichkeiten aufzeigt. Das Ziel der Entsiegelung ist, die natürlichen Funktionen des Bodens möglichst wiederherzustellen – auch wenn es lange dauert.

Zusätzlich steht in der Stadtentwicklung die sogenannte blau-grüne Infrastruktur im Fokus – also das Anlegen und Vernetzen von Grün- und Wasserflächen. Diese dienen wie ein Schwamm als Wasserspeicher und geben es unter anderem durch Verdunstung mit positivem Einfluss auf das Stadtklima wieder ab. Das Thema Klimaanpassung rückt als kommunale Aufgabe immer stärker in den Fokus. Im Oktober 2023 hat der Deutsche Bundestag das neue Klimaanpassungsgesetz beschlossen, welches nun seine Wirkung in den Ländern und mittelbar in den Kommunen entfalten wird.

Was bedeutet das Klimaanpassungsgesetz für die Stadt Oldenburg?

Corbes: In den Landesgesetzen werden die Kommunen hinsichtlich der Aufstellung oder Aktualisierung von Klimaanpassungsstrategien adressiert. Das Stadtplanungsamt erarbeitet für die Stadt Oldenburg ein Integriertes Klimaanpassungskonzept, das abgestimmte und zielgerichtete Klimaanpassungsmaßnahmen mit einer übergeordneten Strategie enthalten wird, ebenso wie ein Monitoring und eine Evaluierung. In diesem Rahmen sollen Handlungsbedarfe und räumliche „Hotspots“ im Stadtgebiet identifiziert werden, die besonders von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen sind oder großes Anpassungspotenzial besitzen. Konkrete Maßnahmen müssen entwickelt werden, um die Resilienz Oldenburgs gegenüber Klimaveränderungen zu stärken. Hierzu zählen auch Erhalt, Qualifizierung und Erweiterung von Stadtgrün sowie die bereits angesprochene Entsiegelung.

Was kann man persönlich dafür tun, um auf dem eigenen Grundstück für Starkregenereignisse vorzusorgen oder den vorbeugenden Hochwasserschutz zu unterstützen?

Sprenger: Neben den oben genannten Verbänden und Institutionen des Wassermanagements sind wir alle zuständig, wenn es darum geht, das Haus oder die Wohnung zu schützen. Ergänzend zum Hochwasser sind hier Starkregen oder steigende Grundwasserpegel zu betrachten. Diese sind – im Vergleich zum Flusshochwasser – eine Gefahr, die alle Flächen gleichermaßen betrifft. In Folge der Klimaveränderung treten Starkregenereignisse vermehrt und intensiver auf. Damit die Bürgerinnen und Bürger auf das Grundstück genau prüfen können, wie stark sie möglicherweise betroffen sind, hat der OOWV zusammen mit der Stadt Oldenburg eine Starkregengefahrenkarte entwickelt ». So lassen sich Gebiete identifizieren, die bei Starkregen besonders gefährdet sind. Der OOWV hat ebenfalls einen Infoflyer entwickelt » (PDF, 1,45 MB), der unter anderem darüber aufklärt, was man tun kann, um sein Eigentum zu schützen. Derzeit erarbeitet auch das Bundesamt für Kartographie und Geodäsie in Zusammenarbeit mit dem NLWKN eine flächendeckende Hinweiskarte zur Starkregengefahr.

Corbes: Auch wenn es um Stadtgrün und Entsiegelung geht und damit um ein größeres Retentionsvermögen der Böden, kann jede Eigentümerin und jeder Eigentümer einen Beitrag leisten: durch die Herstellung von Gründächern, Fassadenbegrünungen, die Qualifizierung der Gartenflächen (zum Beispiel mehr Gehölzstrukturen anstatt Rasen) oder die Verwendung versickerungsfähiger Materialien. Hierzu bietet die Stadt Förderprogramme an ». Versiegelungen, zum Beispiel für Terrassen oder Zuwegungen, sollten auf ein Minimum reduziert werden.

Zuletzt geändert am 14. November 2024