2022 Igor Levit

Pianist und Aktivist Igor Levit erhält den Carl-von-Ossietzky-Preis 2022

Igor Levit erhielt den Carl-von-Ossietzky-Preis der Stadt Oldenburg für Zeitgeschichte und Politik des Jahres 2022. Die mit 10.000 Euro dotierte Auszeichnung wurde dem in Berlin lebenden Pianisten und Aktivisten von Oberbürgermeister Jürgen Krogmann im Rahmen eines Festaktes im Kulturzentrum PFL überreicht. Die Zuerkennung erfolgte aufgrund des einstimmigen Votums einer unabhängigen Jury und wird alle zwei Jahre in Erinnerung an den Friedensnobelpreisträger Carl von Ossietzky verliehen. Aus terminlichen Gründen fand die Ehrung im Jahr 2022 am 9. Dezember statt.

„‚Die Zeit, in der man passiv sein konnte, ist vorbei‘, so begründete Igor Levit sein vielfältiges politisches Engagement als bekennender Europäer und international gefeierter Pianist für den Klimaschutz und für die uneingeschränkte Achtung der Menschenwürde. Ganz im Sinne Carl von Ossietzkys spürt und analysiert Levit nicht nur die Brüche der Gesellschaft, in der er lebt, sondern er positioniert sich konsequent gegen Rassismus, Antisemitismus, Muslimfeindlichkeit und die Verrohung der Sprache. Mit seiner Stimme als Musiker und als politisch denkender, sprechender und handelnder Mensch erreicht Igor Levit Menschen verschiedener Generationen und sensibilisiert für die Dringlichkeit mutigen zivilgesellschaftlichen Engagements. Deshalb zeichnen wir Igor Levit mit dem Carl-von-Ossietzky-Preis 2022 der Stadt Oldenburg aus“, schrieb die Jury für die Vergabe des Carl-von-Ossietzky-Preises in ihrer Begründung.

Levit: „Motivation ist es, nicht mutig sein zu müssen, irgendwann einmal“

Igor Levit selbst sagte in seiner Dankesrede: „Ich freue mich über diese Auszeichnung. Ich freue mich hier zu sein. Ich will trotzdem darauf hinweisen, dass es auch andere Gefühle gibt – Widersprüche.“ Die Erinnerung wach zu halten, den Kampf gegen Antisemitismus zu führen – verbunden mit offenen wie auch subtilen, ganz alltäglichen Angriffen – sei hart. „Ich würde mit allem, was ich habe, Tag für Tag, alles unterstützen, was mit aktiver Erinnerungskultur zu tun hat. Aber sie verlangt von mir als Juden einen sehr hohen Preis.“ Dennoch, und mit Blick auf die Menschen in Afghanistan oder in der Ukraine, sagte Levit weiter: „Ich bin nicht mutig. Der einzige Preis, den ich bezahle, mein Mundwerk aufzumachen, ist ein Kommentar in einem Boulevardblatt, ein Shitstorm auf Twitter oder eine Handvoll sehr grobschlächtiger Morddrohungen. Ich habe mich gefragt, was ist meine Motivation? Meine Motivation ist es, nicht mutig sein zu müssen, irgendwann einmal.“

Zur Person Igor Levit »

Auch Jury würdigte Levits Einsatz für Menschenrechte und Menschenwürde

Auch die Jury hob Levits Einsatz „für die uneingeschränkte Achtung der Menschenwürde“ hervor und sagte weiter: „Als politisch denkender, sprechender und handelnder Mensch erreicht Igor Levit Menschen verschiedener Generationen und sensibilisiert für die Dringlichkeit mutigen zivilgesellschaftlichen Engagements.“ Zur unabhängigen Jury gehören die Historikerin Prof. Dr. Dagmar Freist (Universität Oldenburg), der Journalist und frühere Direktor des NDR-Landesfunkhauses Schleswig-Holstein Friedrich-Wilhelm Kramer (Hamburg), der Journalist und ehemalige Tagesthemen-Moderator Thomas Roth (Berlin) sowie der Historiker Prof. Dr. Martin Sabrow (Potsdam, Senior Fellow am Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung).

Hier finden Sie die Jury-Begründung » (PDF, 485 KB)

Shelly Kupferberg hält Laudatio auf Igor Levit

Laudatio Preisvergabe 2022

Die Journalistin und Moderatorin Shelly Kupferberg hat am 9. Dezember 2022 die Laudatio auf den Carl-von-Ossietzky-Preisträger Igor Levit gehalten. Shelly Kupferberg, 1974 in Tel Aviv geboren, ist in West-Berlin aufgewachsen. An der dortigen Freien Universität hat sie Theater- und Musikwissenschaften sowie Publizistik studiert. Seit vielen Jahren arbeitet sie für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk als freie Redakteurin und Moderatorin, derzeit vor allem für Deutschlandfunk Kultur und RBB Kultur. Ihre Themenschwerpunkte sind Kultur, Bildung, Zivilgesellschaft, Demokratie, Migration und Partizipation.

Regelmäßig moderiert sie Kultur-, Literatur- und Gesellschaftsmagazine als auch Festivals, Tagungen und Preisverleihungen verschiedener Kultur- und Bildungseinrichtungen sowie Veranstaltungen von Stiftungen und Ministerien. Beim internationalen Literaturfestival Berlin ilb, den deutsch-israelischen Literaturtagen von Goethe-Institut und Heinrich-Böll-Stiftung und der Leipziger und Frankfurter Buchmesse ist sie ebenso wie bei der Berlinale und Gesprächskonzerten, unter anderem am Konzerthaus Berlin, als Moderatorin zu erleben. Darüber hinaus hat sie mehrfach den Shimon Peres-Preis moderiert. Ehrenamtlich übernimmt sie diese Aufgabe auch für „Terre des Femmes“.

Shelly Kupferberg ist auch als Herausgeberin und Autorin tätig. 1999 erschien im Rahmen der 13. Jüdischen Kulturtage Berlin die von ihr herausgegebene Konferenzschrift „Odessa. Die Stadt und ihr Traum. Eine universale Liebeserklärung aus Berlin“. Im Sommer dieses Jahres veröffentlichte sie im Diogenes Verlag ihr literarisches Debüt „Isidor“. Kupferberg erzählt darin die rasante Aufstiegsgeschichte ihres Urgroßonkels, der aus ärmlichen Verhältnissen in Galizien stammte und später als sehr wohlhabender Kommerzialrat und Mäzen in Wien lebte. Die Gefahren durch den Aufstieg der Nationalsozialistinnen und Nationalsozialisten hatte er bis zu seiner Verhaftung 1938 unterschätzt. Gefoltert und ausgeraubt starb er wenige Monate später an den Folgen der Haft. Der SPIEGEL urteilte über das Buch, ihr sein ein „literarischer Stolperstein“ gelungen.

Weitere Informationen zu Shelly Kupferberg können Sie auf folgenden Webseiten finden:

Kompositionspreis für Étienne Haan – Uraufführung des Auftragswerks

Im Rahmen des Festaktes wird traditionell auch der mit 3.000 Euro dotierte Kompositionspreis für Zeitgenössische Musik verliehen: Er ging in diesem Jahr an den französischen Komponisten Étienne Haan. Mitglieder des oh ton-Ensembles haben seine Auftragskomposition „Auf der Weltbühne“ für Flöte, Akkordeon und Kontrabass uraufgeführt. Der musikalische Beirat hob den auffälligen Stil des 30-Jährigen Komponisten hervor: „Das Beeindruckende seines Stils ist das kompositorisch beherrschte Vorhandensein fast sämtlicher Techniken der Neuen Musik, die immer wieder von sehr eingängigen rhythmischen Passagen gebrochen werden. Diese Brechungen hochkomplexer Klangfelder gegen sinnlich vertraute Klanggesten ergreifen direkt das Publikum und führen zu einer enormen Attraktivität der Musik.“

Über den Komponisten Étienne Haan

Bildergalerie zur Carl-von-Ossietzky-Preisvergabe

Zuletzt geändert am 11. November 2024