Opferverzeichnis
für 56 Kriegstote sowjetischer, polnischer und unbekannter Herkunft auf dem alten Jüdischen Friedhof Oldenburg
Vorwort
Millionen ausländische Zivilistinnen und Zivilisten sowie Kriegsgefangene wurden während des Zweiten Weltkriegs zum Arbeitseinsatz im Deutschen Reich gezwungen, um den enormen Arbeitskräftebedarf in der heimischen Produktion zu decken. Der gescheiterte Blitzkrieg gegen die Sowjetunion 1941 und der weitere Kriegsverlauf mit gravierenden eigenen Verlusten verschärfte den bestehenden Arbeitskräftemangel in der deutschen Industrie, in der Kriegswirtschaft und im Agrarsektor erheblich, sodass nun auch sowjetische Kriegsgefangene Zwangsarbeit leisten mussten. Dies war aus NS-rasseideologischen Gründen, um „bolschewistische Unterwanderung“ zu unterbinden, bis dahin nicht geschehen. Die als „slawisch minderwertig“ bezeichneten gefangenen sowjetischen Soldaten sowie millionenfach zwangsrekrutierte Kinder, Frauen und Männer aus den besetzten Ostgebieten wurden ins Reichsgebiet verschleppt. In den Lagern sowie an ihren Einsatzorten waren sie häufig besonderer Brutalität und Menschenverachtung ausgesetzt. Trotz erheblicher Mangelernährung und fehlender medizinischer Versorgung mussten sie oft schwerste körperliche Tätigkeiten verrichten. Hunger, Krankheiten, Kälte und Gewalt führten zu einer sehr hohen Todesrate. Zehntausende der Ostarbeiterinnen und Ostarbeiter überlebten den Arbeitseinsatz nicht. Bei den sowjetischen Kriegsgefangenen lag die Sterblichkeit bei etwa 50 Prozent. Erst ab 1943 verbesserte sich nach Beschwerden der Arbeitgeber ihre Versorgungslage, da kaum noch Arbeitsleistung von ihnen erbracht werden konnte. Ausreichend ernährt und menschenwürdig behandelt wurden die meisten jedoch auch weiterhin nicht. Etwa drei Millionen Rotarmisten starben aufgrund der völkerrechtswidrigen, unmenschlichen Behandlung in deutscher Gefangenschaft.
Zwangsarbeit in Oldenburg
Auch im Arbeitsamtsbezirk Oldenburg wurden ab 1940 Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen sowie Kriegsgefangene in Industrie, Landwirtschaft, Straßenbau und in Privathaushalten eingesetzt. Im Jahr 1945 waren es mehr als 12.000 Zwangsbeschäftigte. Hunderte mussten ihr Leben lassen und wurden auf Oldenburger Friedhöfen beerdigt, so auch auf dem Jüdischen Friedhof an der Dedestraße. 48 Soldaten sowie acht Zivilisten sowjetischer, polnischer und unbekannter Herkunft wurden dort zwischen 1941 und 1943 anonym in einem Sammelgrab begraben. Die Kriegsgefangenen kamen aus den Kriegsgefangenen-Mannschafts-Stammlagern Wietzendorf (X D), Sandbostel (X B), Mühlberg (IV B), Oerbke (XI D) und Thorn (357) und waren verschiedenen Arbeitskommandos in Oldenburg, Ammerland, Ostfriesland und der Wesermarsch zugeordnet worden. Sie starben an den Folgen von Unterernährung, Krankheit und durch Gewalteinwirkung.
Seit 2021 erinnert ein Kunstwerk des Bremer Künstlers Amir Omerović an die bis dahin namenlosen Opfer auf dem Jüdischen Friedhof.
Im Opferverzeichnis finden sich gemäß Gräbergesetz die Namen sowie weitere Angaben zu den Toten – soweit bekannt. Hinweise, Anmerkungen, Quellen und Links sind am Seitenende des Verzeichnisses aufgeführt.
Hinweise, Anmerkungen, Quellen und Links
Die Daten basieren auf der offiziellen Gräberliste der Stadt Oldenburg (Oldb) für den Jüdischen Friedhof Oldenburg (Stand September 2014) gemäß dem Gesetz über die Erhaltung der Gräber der Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft (Gräbergesetz), neugefasst 6. Dezember 2011 BGBl. I 2507, geändert 6. Dezember 2011, BGBl. I 2507, § 5. Ausfertigungen dieser Gräberliste haben erhalten
- die Deutsche Dienststelle für die Benachrichtigung der nächsten Angehörigen von Gefallenen der ehemaligen deutschen Wehrmacht (WASt), Berlin
- der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V., Kassel (jetzt Niestetal)
- das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport (Referat 63); Hannover
Die offizielle Gräberliste (Stand September 2014) wurde mit Hilfe von umfangreichen Recherchen des Historikers Holger Frerichs durch die städtische Friedhofsverwaltung erstellt. Grundlagen der Registrierung der Kriegsopfer in der amtlichen Gräberliste sind:
- Listen des Stadtbauamtes vom 11. Juni 1948, Stadtarchiv Oldenburg, Bestand 262-1, Nummer 3-165, Teil 2,
- Liste des Ordnungsamtes der Stadt Oldenburg vom 13. März 1950, Stadtarchiv Oldenburg, Bestand 262-1, Nummer 3-106,
- Personaldokumente der Wehrmacht (Personalkarten und andere Personaldokumente), Zentralarchiv des Verteidigungsministeriums der Russischen Föderation in Podolsk bei Moskau, CAMO, digitalisiert unter www.obd-memorial.ru »,
- Eintragungen in der Online-Datenbank Sowjetische Kriegsgefangene in Deutschland, Stiftung Sächsische Gedenkstätten », jetzt Bundesarchiv, Eichborndamm 179,13403 Berlin,
- Sterbeurkunden der Stadt Oldenburg, Stadtarchiv
Die Angaben wurden nach bestem Wissen zusammengetragen und spiegeln den derzeitigen Stand der Erforschung wider (Stand 2014). Lückenhafte und ungenaue Angaben ließen sich nach gegenwärtiger Sachlage nicht immer ergänzen. Schreib-, Übertragungs- sowie Übermittlungsfehler können nicht ausgeschlossen werden. Die Angaben zur Staatsangehörigkeit/Nationalität entsprechen aufgrund zum Teil mehrfach veränderter Grenzverläufe der jeweiligen Zuordnung zum Todeszeitpunkt.
Quellenangaben und weitere Informationen lassen sich hier finden:
Ancestry »
Ahnenforschung – Stammbaum & Familiengeschichte
Sterberegister Stadt Oldenburg 1876 bis 1960
Arolsen Archives »
Stadt Oldenburg, Ordnungsamt, Suchaktion nach vermissten Ausländern, 3. März 1950
Holger Frerichs
Zahl, Identität und Grablagen sowjetischer Kriegsgefangener (1941 bis 1945) in der Stadt Oldenburg (Jüdischer Friedhof und Neuer Friedhof Osternburg),
unveröffentlichter Bericht, 2013, verfügbar bei der Stiftung Niedersächsische Gedenkstätten, Celle, und der Friedhofsverwaltung der Stadt Oldenburg
Günter Heuzeroth, Peter Szynka, Unter der Gewaltherrschaft des Nationalsozialismus, dargestellt an den Ereignissen in Weser-Ems 1939 bis 1945, Band IV/1, Die im Dreck lebten, Ausländische ZwangsarbeiterInnen, Kriegsgefangene und die Lager in der Stadt Oldenburg 1939 bis 1945, Oldenburg 1993
Katharina Hoffmann, Ausländische ZwangsarbeiterInnen in Oldenburg während des Zweiten Weltkrieges. Eine Rekonstruktion der Lebensverhältnisse und Analyse von Erinnerungen deutscher und polnischer ZeitzeugInnen, Dissertation, Oldenburg, 1999
Martin J. Schmid
Bet Olam – Haus der Ewigkeit
Der alte jüdische Friedhof zu Oldenburg, Isensee Verlag, 2021
Allgemeine Informationen zum Thema sowjetische Kriegsgefangene und Zwangsarbeit (Auswahl):
Stiftung niedersächsische Gedenkstätten
Gedenkstättenförderung in Niedersachsen
Reinhard Otto/Rolf Keller/Jens Nagel
Sowjetische Kriegsgefangene in deutschem Gewahrsam 1941 bis 1945
Zwangsarbeit 1939 bis 1945
Erinnerungen und Geschichte
Zuletzt geändert am 29. Januar 2025