Hintergrund und Ausgangslage
Kommunaler Aktionsplan gegen Gewalt an Frauen* und Häusliche Gewalt
Häusliche Gewalt gegen Frauen* war ein lange tabuisiertes Thema. Das Ausmaß der Gewalt wurde seit den 1970er Jahren durch die Neue Frauenbewegung zunehmend in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Trotzdem erfuhr das Thema wenig öffentliches Interesse und wurde lange als Privatangelegenheit oder auch als Familienstreitigkeit verharmlost.
Mit dem Gewaltschutzgesetz, das 2002 in Kraft trat, fand der erste Paradigmenwechsel statt. Die Forderung der Frauenbewegung „Wer schlägt, muss gehen“ wurde Gesetzesgrundlage. Trotzdem setzt sich die Erkenntnis nur langsam durch, dass Häusliche Gewalt keine Privatangelegenheit ist, sondern den patriarchalen Machtstrukturen immanent und darum auf der strukturellen Ebene bekämpft werden muss.
Häufigkeit von Häuslicher Gewalt gegen Frauen und Männer
2004 wurde im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend eine repräsentative Untersuchung zu Gewalt gegen Frauen* in Deutschland durchgeführt. Laut dieser Studie erleidet jede vierte Frau* körperliche oder sexuelle Gewalt in der Paarbeziehung. Von Häuslicher Gewalt sind Frauen* aus allen Sozial- und Bildungslagen gleichermaßen häufig und schwer betroffen, dessen ungeachtet ergeben sich aus bestimmten Lebenslagen wie Pflegebedürftigkeit, Migrationshintergrund, psychische Erkrankung und andere spezielle Bedarfe.
Eine repräsentative Untersuchung zu Männern* als Opfer von Gewalt gibt es nicht. 2004 wurden die Ergebnisse der Pilotstudie „Gewalt gegen Männer in Deutschland – Personale Gewaltwiderfahrnisse von Männern in Deutschland“ veröffentlicht. 23 Prozent der 190 befragten Männer* gaben an, dass sie im Laufe ihres Lebens körperliche oder sexualisierte Gewalt in ihrer Partnerschaft erlebt haben. Dabei reicht die Bandbreite von leichteren Handlungen, „bei denen nicht eindeutig von Gewalt zu sprechen ist“ bis hin zu systematischen Misshandlungsbeziehungen. Da es sich um keine repräsentative Studie handelt und auch gezielt Männer* mit Gewalterfahrungen angesprochen wurden, lassen die genannten Zahlen keine Rückschlüsse zu, wie viele Männer* tatsächlich Opfer von Häuslicher Gewalt sind.
Laut Bundeskriminalamt (BKA) ist die Anzahl der Opfer im Rahmen der Partnerschaftsgewalt zwischen 2017 und 2018 um 1,3 Prozent gestiegen. Bei den weiblichen Opfern betrug die Steigerung 0,4 Prozent, bei den männlichen Opfern ergab sich eine Steigerung um 5,8 Prozent. Dies muss nicht zwangsläufig bedeuten, dass es tatsächlich mehr Fälle gab. Eine erhöhte Anzeigenbereitschaft und damit eine Verschiebung des Dunkelfeldes in das Hellfeld sind ebenso möglich.
70,6 Prozent der Opfer hatten die deutsche Nationalität, Tatverdächtige waren mit 67 Prozent ebenfalls deutsche Staatsangehörige. Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend schreibt in einer Pressemitteilung zum 25. November 2019: „Bei Vergewaltigung, sexueller Nötigung und sexuellen Übergriffen in Partnerschaften sind die Opfer zu 98,4 Prozent weiblich, bei Stalking und Bedrohung in der Partnerschaft sind es fast 88,5 Prozent. Bei vorsätzlicher, einfacher Körperverletzung sowie bei Mord und Totschlag in Paarbeziehungen sind 77 Prozent der Opfer Frauen.“
Häusliche Gewalt in Oldenburg
Eine Kostenstudie vom Oktober 2017 der Universität Cottbus besagt, dass sich die bundesweiten jährlichen Kosten allein für Häusliche Gewalt auf 3,8 Milliarden Euro belaufen, heruntergebrochen für Oldenburg bedeutet dies Kosten in Höhe von etwa 8 Millionen Euro. Hierin sind sowohl die Kosten für Polizei, Justiz, Unterstützungsangebote und das Gesundheitswesen enthalten, als auch die Kosten für den Ausfall der Erwerbsarbeit, Arbeitslosigkeit, Traumafolgekosten für Kinder und anderes. Diese Kostenberechnung ist aufgrund nicht vorliegender, nicht vergleichbarer oder nicht zu erhebender Daten nicht abschließend.
Laut polizeilicher Kriminalstatistik wurden 2019 in der Stadt Oldenburg 413 Fälle Häuslicher Gewalt bekannt, darunter 313 Frauen* (19 minderjährig) und 100 Männer* (13 minderjährig). Eine Frau wurde durch ihren Partner getötet. Der Anteil von weiblichen Opfern Häuslicher Gewalt liegt demnach bei 75,8 Prozent, der Anteil von männlichen Opfern bei 24,2 Prozent. Frauen* sind mit 66 Prozent deutlich stärker von gefährlicher und schwerer Körperverletzung betroffen als Männer* (33 Prozent). Der Frauenanteil in den Deliktfeldern Freiheitsberaubung, Bedrohung und Stalking beträgt etwas mehr als 80 Prozent.
Zuletzt geändert am 19. April 2024