Plan-Umfrage „Spannungsfeld Männlichkeit“

Eine Einordnung der Resonanzen

Mit der Veröffentlichung der Umfrageergebnisse zum Thema Männlichkeit » im Juni 2023 scheint die Organisation „Plan International“ einen Nerv getroffen zu haben. Unter anderem heißt es darin, 34 Prozent der jungen Männer in Deutschland würden nach Eigenaussage gegenüber Frauen handgreiflich werden, „um ihnen Respekt einzuflößen“.

Die Kritik an der Umfrage

Übernahmen diverse Medien die Ergebnisse noch vor ihrer offiziellen Veröffentlichung im Großen und Ganzen unkritisch, folgte der Umschwung rasch: Die Umfrage sei bei näherer Betrachtung unwissenschaftlich, weder haltbar noch aussagekräftig. Die Ergebnisse seien auf der einen Seite schockierend, auf der anderen Seite nicht das Produkt sauberer wissenschaftlicher Arbeit. So oder so ähnlich ließe sich der Tenor zusammenfassen. Kritik an der Methodik ist für die Einordnung der Ergebnisse natürlich wichtig und in diesem Fall durchaus angebracht.

Das Versäumnis in der Diskussion

Doch anstatt die Befragung kritisch einzuordnen, die Ergebnisse mit wissenschaftlichen Studien zu vergleichen und über die Inhalte diskursiv ins Gespräch zu kommen, wird die Kritik teils zum Anlass genommen, die Befragung in Gänze zu deligitimieren und abzulehnen. Dabei ist eine öffentliche Debatte über problematische Aspekte von Männlichkeiten, wie etwa sexualisierte Gewalt, archaische Rollenbilder, aber auch Suchterkrankungen oder mangelnde emotionale Kompetenz dringend notwendig. Denn der Blick auf vergleichbare, wissenschaftlich sauberere Studien, wie die des Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugendliche », zeigen ebenfalls Tendenzen auf, die beunruhigen: So gaben dort über alle Altersgruppen verteilt 80 Prozent der Männer an, die „Frau soll ihrem Partner beruflich den Rücken freihalten“. In der so viel kritisierten Plan-Umfrage waren es weniger als die Hälfte der Männer, die dieser Aussage zustimmten (39 Prozent). Und während über die Hälfte der Befragten der Umfrage Bereitschaft signalisierten, ihr eigenes Männlichkeitsbild weiterzuentwickeln (54 Prozent), liegt dieser Wert bei der Studie des Bundesministeriums bei 44 Prozent. Dabei ist die Frage, wieso überhaupt eine große Anzahl Männer problematischen Ansichten zustimmt deutlich interessanter als die Frage, welcher Wert denn nun der genauere sei.

Das eigentliche Thema Gewalt

Fakt ist, dass sich die Zahlen zum Thema Gewalt und damit die Aussage „Für jeden dritten Mann (33 Prozent) ist es akzeptabel, wenn ihm bei einem Streit mit der Partnerin gelegentlich die Hand ausrutscht“ nicht einwandfrei belegen lassen. Fakt ist aber auch, dass jede vierte Frau in Deutschland im Lebenslauf Gewalt durch ihren Partner erlebt (Studie des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugendliche »). Auch die Zahlen des Bundeskriminalamts zum Thema Gewalt in Partnerschaften » sind erschreckend: Diese hat im Zeitraum von fünf Jahren bis 2021 einen Anstieg um 3,4 Prozent erlebt. Die Opfer sind dabei mit 80,3 Prozent mehrheitlich Frauen, die Täter mit 92,5 Prozent meist Männer. Allein das quantitative Ausmaß verdeutlicht die gesamtgesellschaftliche Relevanz.

Die Rolle der Männer im Kontext männlicher Gewalt

Gewalt ist seit Jahrtausenden integraler Bestandteil bestimmter Formen von Männlichkeiten, die bis heute wirkmächtig sind. Gleichzeitig sollte nicht ignoriert werden, dass der Großteil der Männer in Deutschland gewaltfrei lebt. Männer sollten nicht als potentielle Täter stigmatisiert, sondern als Bündnispartner solidarisiert werden, um gemeinsam für eine gleichstellungsorientierte Gesellschaft einzustehen, von der alle profitieren. Ferner wäre die Debatte darüber, wie sich Männlichkeit in unserer heutigen Gesellschaft weiter emanzipieren kann, ein produktiver Schritt in die richtige Richtung. Die Ergebnisse der Plan-Umfrage könnten hierfür mindestens als Startpunkt dienen und so einen wichtigen Beitrag leisten. Das Gleichstellungsbüro der Stadt Oldenburg arbeitet auf kommunaler Ebene aktiv an der Umsetzung gleichstellungsorientierter Männerarbeit und plant hierfür zukünftig vermehrt männerpolitische Themen aufzugreifen.

Zuletzt geändert am 23. November 2023