reframed – Fototage Oldenburg

Im Rahmen der reframed – Fototage Oldenburg des Kulturbüros der Stadt Oldenburg werden temporär die Arbeiten (inter)nationaler und lokaler Fotografinnen und Fotografen unter einem gewählten Obertitel ausgestellt. Sie sind als Outdoor-Veranstaltung an der Oldenburger Hafenpromenade konzipiert. Artist Talks sowie Begleitveranstaltungen ergänzen die Ausstellungen. Die Fototage möchten sehr niedrigschwellig angelegt, eine breite Bevölkerungsgruppe ansprechen und sich nicht nur an ein Fotografie-Fachpublikum richten.

Rückblick: 7. bis 28. August 2024 – Oberthema „Spiel“

Spielen ist Lebensfreude. Sie ist in der Natur des Menschen angelegt, erst sie macht ihn komplett, was weder Likes in den sozialen Netzwerken noch puritanischer Arbeitseifer oder auch das scheinbare Konsumglück vollbringen können. Schon Schiller wusste: „Der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Wortes Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt.“ Je unübersichtlicher die moderne Welt mit ihren fluiden Identitäten wird, desto mehr boomen Spiele. Denn Spiele haben klare Regeln und spielen heißt, sich freiwillig an das Regelwerk zu halten. Und so ist die Fotografie immer auch ein Spiel. Die Fotografin und der Fotograf erschaffen erst durch ihre selbst definierte Regeln ihre Werke.

Die zweite Ausgabe der reframed – Fototage Oldenburg widmete sich dem Oberthema „Spiel". Internationale wie auch hiesige Fotografinnen und Fotografen griffen in ihren Arbeiten nicht nur das Thema als Bildmotiv auf, sondern sind auch sehr spielerisch an die Schaffung ihrer Werke herangegangen. Der Flaneur an der Oldenburger Hafenpromenade erlebte vom 7. bis 28. August 2024 eine Mischung aus bestehenden, jüngeren Arbeiten sowie eigens für die Fototage geschaffene Werke. 

Tina Cosmai - Lùdica

Die Serie Lùdica von Tina Cosmai erzählt von der Kindheit. Von Erinnerungen, in denen die Zeit des Kindes die Gegenwart überlagert. Fliegende Kegel, Karusselle, Luftballons, zum Himmel aufsteigende Schaukelpferde. Spielzeuge, die mit ihren oft verschwommenen und schattenlosen Farben an jene alten illustrierten Kinderbücher erinnern, die Walter Benjamin Zeit seines Lebens liebevoll sammelte. Jedes der Bilder von Tina Cosmai verwandelt sich in ein „Als Ob“. Als ob wir tatsächlich in eine magische Flugmaschine gestiegen wären, die uns in die Kindheit zurückversetzt und uns gleichzeitig in eine Gegenwart mit kristallisierter Atmosphäre zieht. Bewegungslos in ihrer Ergründbarkeit und zeitlichen Unentzifferbarkeit, die in einen ihrer Werke mit einem metaphysisch in der Luft schwebenden Ball, der bereit ist durch einen Korbring zu fliegen, den er nie passieren wird. Andererseits ist da das Karussell. Ist es mit seiner ständigen Drehbewegung nicht einfach die Symbolfigur der ewigen Wiederkehr einer Zeit, die sich um sich selbst dreht, ohne jemals einem Ende entgegen zu gehen? Die evokative Kraft des Karussells fasziniert uns mit ihrer tiefen, beruhigenden Unvergänglichkeit. Es ist, als ob sie eine existenziell zeitliche Lücke enthielte, die uns in die Vergangenheit der Erinnerungen eintauchen lässt und sie als Zeichen des Wunderbaren in die Gegenwart zurückbringt.

Tom Pope – The Play Offs

„The Play Offs" ist eine Reihe von Fotospielen mit vom Künstler erstellten Fotos. Jedes Fotonegativ wird als Team bezeichnet, wobei jedes Team in Spieler (Negativfragmente) unterteilt ist. Der Spielraum besteht aus unbelichteter Cyanotypie-Lösung auf sensibilisiertem Papier. Jeder Cyanotypie-Druck ist das Ergebnis eines Spiels, bei dem Spieler aus zwei gegnerischen Teams zusammenkamen und auf dem Fotofeld gegeneinander antraten.

Die Serie basiert auf dem Konzept von Play Offs, bei denen sich Teams qualifizieren und in die nächste Runde einziehen, bis ein Champion ermittelt wird. Gleichzeitig werden Sprache, Gesten und Spielregeln aufgebrochen und neu angeordnet, um neue Spielareale zu schaffen, die Spaß, Verspieltheit, Zufall, Gemeinschaft und Wettbewerb verkörpern.

Durch die in die ausgestellten Drucke geschnittenen Löcher wurde das Publikum dazu eingeladen, gegeneinander zu spielen, indem es Bälle durch diese Löcher wirft. Sie erstellten ihre eigenen Spielregeln und konnten mit den Fotos in ihren eigenen Play Offs interagieren.

Muhammad Fadli – Rebel Riders

In ganz Indonesien hat sich eine Gemeinschaft junger Vespa-Fans herausgebildet, die mit spielerischer Kreativität ihre Motorräder individualisieren und modifizieren. Die „Rebel Riders“ sehen aus wie Fahrer aus der postapokalyptischen Welt der Mad-Max-Filme, ihre Gefährte sind mit Büffelskeletten, Ölfässern, Bambus und Maschinengewehren ausgestattet. Als Ausdruck einer neu gewonnenen Freiheit nach der Diktatur Suhartos stehen die „Rebel Riders“, portraitiert von Muhammad Fadli, Dokumentar- und Portraitfotograf aus Jakarta. Sein Fotobuch über die Subkultur der Vespa-Fahrer in Indonesien mit dem Titel „Rebel Riders“ ist im Dienacht Verlag in Leipzig erschienen.

Der gesprungene Spiegel – Reflexionen über Identität(en) und Fotografie

Im Anfang war der Zufall, und der Zufall war bei Gott, und Gott war der Zufall. Dieser war im Anfang bei Gott. Alle Dinge sind durch diesen gemacht, und ohne diesen ist nichts gemacht, was gemacht ist. In ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen. (Luke Rhinehart: Der Würfler. Mitteldeutscher Verlag GmbH, Halle (Saale). Seite 406 und folgende; Original 1971). So wie der Protagonist des Kultromans „Der Würfler“ von Luke Rhinehart die kleinen wie großen Entscheidungen des Lebens mehr und mehr dem Würfel anvertraut, ließen sich Fotografinnen und Fotografen des BBK Oldenburg », des Vereins Haus der Fotografie Oldenburg » sowie der Oldenburger Photo-Amateure » auf ein künstlerisches Experiment ein und überließen die fotografisch relevanten Entscheidungen beim Anfertigen ihre Arbeiten ebenfalls dem Zufall und setzen sich mit dem Spiel mit selbst- und fremdbestimmten Identitäten, deren Möglichkeiten und deren Grenzen auseinander. 

Mia Cassels, Angel Chobanov und Lauree Stephens – Movements in time

Die Fotoserien von Angel Chobanov, Mia Cassels und Lauree Stephens sind Bewegungsstudien, die sich auf die Arbeit von Eadweard Muybridge beziehen. Im Jahr 1872 stellte Muybridge zwei Dutzend Kameras auf, die durch die Bewegung eines Pferdes ausgelöst wurden, nachdem der Eisenbahnmagnat Leland Stanford mit einem Freund gewettet hatte, dass ein galoppierendes Pferd alle Hufe vom Boden abheben würde. Dem Fotografen gelang dieser Beweis, Stanford gewann die „Pferdewette“ und Muybridges Bewegungsstudien gingen in die Fotogeschichte ein.

Und auch heute noch sind die Fotografie-Studenten der Kingston School of Art in Eadweard Muybridges Heimatstadt und Oldenburgs englischer Partnerstadt Kingston upon Thames nicht nur von seinen Bewegungsstudien, sondern auch von seinem Pioniergeist inspiriert. Mit ihren Fotopräsentationen zeigten Angel Chobanov, Mia Cassels und Lauree Stephens nicht nur, dass die Studierenden des Fachbereichs Film- und Fotografie der Kingston School of Art Muybridges bahnbrechende Arbeit würdigen – sondern auch, dass sie durch ihre Praxis und ihr Spiel ihre ganz eigene(n) visuelle(n) Stimme(n) entwickeln und kreativ über das Potenzial der Vergangenheit und Gegenwart und unserer gemeinsamen Menschlichkeit nachdenken.

Die Fototage wurden ermöglicht von

Weitere Sponsoren:

  • Fotogeschäft Wöltje
  • MTS Records
  • Regus – Oldenburg

Zuletzt geändert am 3. September 2024