Oldenburg. Das Stadtmuseum Oldenburg präsentiert vom 14. Februar bis 17. April eine Ausstellung mit wertvollen und in ihrer Geschlossenheit äußerst seltenen Illustrationen zur Aeneis von Vergil. Die Holz- und Kupferstiche aus dem 16. und 17. Jahrhundert erzählen von Aeneas Flucht aus Troja und seinen Abenteuern, bevor er zum Stammvater Roms wird.
Über die Aeneis, das Nationalepos des klassischen Roms, schrieb der Klassische Philologe Fritz Felgentreu 2004, es diene „uns nicht mehr dazu, das Eigene in seiner Tradition zu verorten“, man könne mit Vergil jedoch „das Fremde dem Eigenen gegenüberstellen, um aus der Gegenüberstellung Verständnis und Orientierung zu gewinnen.“ „Genau darum geht es vielleicht gerade heute in besonderem Maße“, sagt Stadtmuseumleiter Dr. Andreas von Seggern und führt aus: „Aus dem Werk Vergils, das wie kein anderes das Selbstverständnis der Römer im Sinne der pax romana unter Kaiser Augustus sowie grundlegende identitäre Elemente der europäischen Geschichte geprägt hat, kann man noch immer lernen. Es gilt vor dem Hintergrund eines sich dramatisch wandelnden Kontinents über den Wesenskern der gegenwärtigen, sich ebenfalls wandelnden Identität eines möglichen neuen Europas zu reflektieren.“
„Was für ein großartiger Zufall ist es in diesem Zusammenhang, dass sich eine der – mindestens im europäischen Maßstab, vielleicht gar weltweit – bedeutendsten Sammlungen von Holzschnitten und Kupferstichen zu den ersten gedruckten Ausgaben der Vergil’schen Aeneis nur einen ordentlichen Katapultwurf von Oldenburg entfernt befindet – um im römischen Bild zu bleiben“, beschreibt Andreas von Seggern die Herkunft der Exponate. Mit einer jeder großen Sammlerpersönlichkeit eigenen Mischung aus Leidenschaft, Sachkenntnis und positiver Besessenheit hat der in Hude lebende Arzt Dr. Ulrich Wilke nicht nur Einzelblätter, sondern auch alle bedeutenden Folianten der Frühen Neuzeit zum Thema zusammengetragen. Zumindest von den gedruckten Ausgaben aus Lyon, Venedig, Nürnberg, Augsburg und London lässt sich behaupten, dass sie in dieser, auch im Zentrum der Oldenburger Präsentation stehenden Kollektion vermutlich in kaum einer Bibliothek dieser Welt vorhanden sein dürften. In der Region werden die wertvollen Blätter aus dem 16. und 17. Jahrhundert erstmals öffentlich gezeigt. Mit der Ausstellung unter dem Titel „Mythos Aeneis – Vergil-Illustrationen der Sammlung Ulrich Wilke“ zollt das Stadtmuseum Oldenburg einem bedeutenden Sammler der Region den längst fälligen Respekt.
Hervorzuheben ist der begleitende Katalog zur Ausstellung, der von Studierenden des Seminars der Abteilung Alte Geschichte am Institut für Geschichte der Carl von Ossietzky Universität OIdenburg unter der Leitung des Lehrstuhlinhabers Prof. Dr. Michael Sommer vorbereitet worden ist. Neben einer Würdigung des Sammlers wird die kunst- und kulturgeschichtliche Dimension der Aeneis historisch-kritisch beleuchtet. Der etwa 100 Seiten umfassende, mit Objekten der Ausstellung illustrierte Katalog kostet 9,90 Euro.
Eröffnet wird die Ausstellung am Sonntag, 14. Februar, um 11 Uhr im Hüppe-Saal des Stadtmuseums. Festredner ist der gebürtige Oldenburger und in München lebende und lehrende Altphilologe Prof. Dr. Niklas Holzberg. Musikalisch begleitet wird die Veranstaltung von Lautenmusik der Renaissance, interpretiert von Prof. Joachim Held aus Rosengarten.
Kurator: Dr. Andreas von Seggern