Ein Örtchen für alle, aber nicht für jeden

14.06.2017

Ein Örtchen für alle, aber nicht für jeden

Oldenburg.  Über dieses stille Örtchen darf gerne laut geredet werden: Oldenburgs Sozialdezernentin Dagmar Sachse und die Landesbeauftragte für Menschen mit Behinderungen in Niedersachsen, Petra Wontorra, haben am Mittwoch im Schlauen Haus (Schloßplatz 16) eine „Toilette für alle“ vorgestellt. Das neue Angebot richtet sich an Menschen mit schweren, mehrfachen und altersbedingten Beeinträchtigungen. In der „Toilette für alle“ – die erste ihrer Art in Norddeutschland – finden Betroffene und ihre Pflegepersonen alles, was sie für die persönliche Hygiene brauchen:  Die Toilettenräume sind groß genug, um auch mit einem Elektrorollstuhl oder Liegendrollstuhl zu rangieren. Es gibt eine Liege sowie einen Personen-Lifter, der es Angehörigen oder Assistenzkräften ohne großen Kraftaufwand ermöglicht, einen Menschen mit Schwerbehinderung aus dem Rollstuhl auf die Liege heben und zu versorgen.

„Die ,Toilette für alle‘ ist ein Leuchtturmprojekt, nicht nur für die Stadt Oldenburg, sondern auch die gesamte Region“, betont Dagmar Sachse. Für Menschen mit zum Teil schweren Behinderungen sei  es immer wieder schwierig, eine nach ihren Bedürfnissen eingerichtete Toilette im öffentlichen Raum zu finden. „Hier ist die ,Toilette für alle‘ ein Meilenstein, der es noch mehr Menschen ermöglichen wird, am öffentlichen Leben teilzunehmen. Wir streben an,  im ganzen Stadtgebiet verteilt weitere ‚Toiletten für alle‘ entstehen zu lassen“, kündigt die Sozialdezernentin an.

„Teilhabe für alle erfordert Toiletten, die auch von Menschen mit komplexen Behinderungen genutzt werden können: mit Liege und Transfermöglichkeiten“, erläutert Petra Wontorra, Landesbeauftragte für Menschen mit Behinderungen. „Es ist ein echtes Bedürfnis, im doppelten Sinne: Niemand will, aber auch niemand soll auf dem Fußboden liegen müssen, wenn eine Inkontinenzeinlage gewechselt wird. Das ist menschenunwürdig. Inklusion ohne Toiletten für alle? Nein, im Gegenteil, wir brauchen viel mehr davon!“

Bei der Suche nach einem geeigneten Standort hatte sich die Fachstelle Inklusion der Stadt Oldenburg für das Schlaue Haus entschieden – ausschlaggebend waren die zentrale Lage, die gute Zugänglichkeit und die Mitnutzung durch die Oldenburger Tourismus und Marketing GmbH (OTM). An der Auswahl waren auch die Stiftung „Leben pur“ aus München sowie der Oldenburger Behindertenbeirat und die Seniorenvertretung beteiligt gewesen. Die Stiftung setzt sich bundesweit dafür ein, dass an allen öffentlichen Orten „Toiletten für alle“ entstehen. „Wir verstehen das Oldenburger Projekt als wegweisend für viele weitere Anlagen dieser Art, die im Norden hoffentlich bald entstehen werden“, erklärt David Offenwanger vom Wissenschafts- und Kompetenzzentrum der Stiftung „Leben pur“.

Die bestehende rollstuhlgerechte, barrierefrei zugängliche Toilette im Schlauen Haus musste nur umgebaut werden. Die Kosten für den Umbau in Höhe von 11.500 Euro sowie für Beschaffung und Einbau der Liege wurden von der Stadt Oldenburg aus Mitteln des Preisgeldes aus dem Niedersächsischen Modellvorhaben zur Stärkung der Inklusion auf der örtlichen Ebene (2014) finanziert. „Wir freuen uns über die schnelle und unkomplizierte Lösung“, sagt Richard-Balthasar von Busse, Geschäftsführer des Schlauen Hauses.

Die „Toilette für alle“ ist während der Öffnungszeiten des Schlauen Hauses/ OTM (Montag bis Freitag von 9.30 bis 18 Uhr und Samstag von 10 bis 16 Uhr) sowie bei Abendveranstaltungen  zugänglich. Für die Nutzung des Personen-Lifters ist es notwendig, das persönliche Lifter-Tuch mitzubringen.