Oldenburg. Die Journalistin, Autorin und Carl-von-Ossietzky-Preisträgerin Inge Deutschkron ist am Mittwoch, 9. März, im Alter von 99 Jahren gestorben. Die jüdische Holocaust-Überlebende setzte sich zeitlebens gegen Antisemitismus, Extremismus, Hass und Intoleranz ein. Den von der Stadt Oldenburg verliehenen Preis erhielt sie im Jahr 2008 für „ihr Lebenswerk als kritische Journalistin, Schriftstellerin und Mahnerin für Demokratie und Menschenrechte und ihr fortlaufendes Engagement gegen das Vergessen und alle Formen des Rassismus“, so die Begründung der Jury. Bei der Preisverleihung im Mai 2008, dem Podiumsgespräch über NS-Kontinuitäten nach 1945 in der Bundesrepublik Deutschland sowie einer Schulveranstaltung mit Ensemble-Mitgliedern des GRIPS-Theaters überzeugte sie mit ihren prägnanten gesellschaftspolitischen Analysen und ihrem Einsatz für Menschlichkeit und Frieden.
Zur Person Inge Deutschkron
Inge Deutschkron, 1922 in Finsterwalde geboren, ist als Tochter jüdischer Eltern in Berlin aufgewachsen. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten war die Familie zunehmenden Repressalien ausgesetzt. Ihrem Vater, Funktionär der SPD und Lehrer an einer staatlichen Schule, gelang 1939 die Emigration nach England. Wegen des Kriegsausbruchs konnte die geplante Ausreise der Familie jedoch nicht mehr erfolgen. Bis 1943 erhielt Inge Deutschkron zunächst eine Anstellung in der Blindenwerkstatt Otto Weidt, einer Bürsten- und Besenfabrik für überwiegend blinde und gehörlose Jüdinnen und Juden. In den letzten Kriegsjahren entgingen Mutter und Tochter der drohenden Deportation unter falscher Identität mit Hilfe „stiller Helden“ im Berliner Untergrund.
Nach Kriegsende absolvierte Inge Deutschkron zunächst ein Sprachstudium in England. 1955 kehrte sie als Journalistin nach Bonn zurück, wurde 1960 Deutschland-Korrespondentin der israelischen Zeitung Maariv und beobachtete 1963 für diese Zeitung den Auschwitz-Prozess in Frankfurt. 1966 erhielt Deutschkron die israelische Staatsangehörigkeit. 1972 siedelte sie aufgrund von zunehmendem Antisemitismus und der vielen verbliebenen ehemaligen NS-Funktionäre in Politik und Verwaltung nach Israel über. Für die Bühnenadaption ihrer Autobiografie „Ich trug den gelben Stern“ am GRIPS-Theater kehrte sie 1988 nach Berlin zurück, wo sie sich später als freie Schriftstellerin niederließ.
Zahlreiche Veröffentlichungen und Auszeichnungen
Inge Deutschkron hat mehrere Bücher veröffentlicht, hielt Vorträge und veranstaltete bis ins hohe Alter regelmäßig Lesungen für Kinder, Jugendliche und Erwachsene. Als Vorsitzende des Fördervereins „Blindes Vertrauen e.V.“ engagierte sie sich viele Jahre für die öffentliche Wahrnehmung der „stillen Helden“. Die Blindenwerkstatt Otto Weidt ist heute als Museum zugänglich.
Die Ehrenbürgerin der Stadt Berlin wurde 1994 mit dem Berliner Moses-Mendelssohn-Preis, 2002 mit der Rahel Varnhagen von Ense-Medaille und dem Verdienstorden des Landes Berlin ausgezeichnet. Das Bundesverdienstkreuz hat sie aufgrund erfolgter Ehrungen von NS-Belasteten mehrfach abgelehnt. Im Januar 2013 hielt sie im Deutschen Bundestag die Rede zum Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus.
Die Stadt Oldenburg wird Inge Deutschkron ein ehrendes Andenken bewahren.