Bilanz: Zahlen, Daten und Fakten zum Hochwasser in Oldenburg

16.01.2024

Bilanz: Zahlen, Daten und Fakten zum Hochwasser in Oldenburg

Oldenburg. Stadt Oldenburg im Ausnahmezustand: Aufgrund von wochenlangen, anhaltenden Niederschlägen waren die Böden kurz vor Weihnachten 2023 so weit vollgesogen, dass sie keine weiteren Regenfälle mehr aufnehmen konnten. Die Regenrückhaltebecken und Kanäle waren ebenfalls am Rande ihrer Kapazitäten. Dies hatte früh Folgen für Anwohnerinnen und Anwohner im Bereich Babenend, wo schnell erste Keller vollliefen. Schnell war klar: Die Lage wird sich auch aufgrund der weiteren Wetterprognosen weiter zuspitzen. Deshalb wurde kurzerhand der Katastrophenschutz-Stab einberufen, der bis Freitag, 12. Januar 2024, täglich zusammenkam. Im Durchschnitt waren insgesamt 152 Kräfte von Feuerwehren, Polizei, THW, DRK und Stadtverwaltung im Einsatz, in der Spitze kämpften 256 Personen am 4. Januar gegen das Hochwasser. Ab der zweiten Januarhälfte sorgte das frostige, trockene Wetter für eine allmähliche Erholung der Pegelstände, so dass am Samstag, 13. Januar, der Status „außergewöhnliches Ereignis“ für die Stadt Oldenburg aufgehoben werden konnte. Doch bis dahin war es ein weiter Weg, der den Einsatzkräften über die Feiertage und darüber hinaus einiges abverlangte.

Wasser-Barrieren:
Während der Hochwasserlage kamen rund 95.000 gefüllte und ungefüllte Sandsäcke zum Einsatz. Die Freiwilligen Feuerwehren aus Oldenburg und den umliegenden Gemeinden legten tatkräftig Hand an und errichteten die Sandsack-Barrieren im Akkord. Gefährdete Haushalte konnten sich an zwei Terminen jeweils mit bis zu 15 Sandsäcken eindecken, um Öffnungen an ihren Häusern wie Kellerzugänge und Türen abzudichten. Ein Gefahrenschwerpunkt lag im Bereich Achterdiek, der zwischen Osternburger Kanal und Hunte an fast allen Seiten von Wasser umgeben ist und zu überfluten drohte. Im weiteren Verlauf gab es mit dem Bereich Bümmersteder Friedhof/Sandkruger Straße ein zweites Gebiet, das zusätzlichen Schutz benötigte. Hier wurden die Anwohnenden mittels eines gut zwei Kilometer langen mobilen Deichs in Form von Wasser-gefüllten Fässern (das sogenannte AquaRiwa-System beim Bümmersteder Friedhof) sowie Hartschaumplatten (entlang der Sandkruger Straße) gesichert. Möglich wurde dies auch durch die tatkräftige Hilfe von nah und fern: So waren beispielweise THW-Helferinnen und -Helfer aus Emden, St. Peter Ording und Berlin in Oldenburg im Einsatz, der Notdeich wurde unter anderem aus Augsburg und Rostock geliehen und ein Bürgermeister aus dem Ahrtal wollte sogleich einen Bus mit weiterer Unterstützung in unsere Region schicken. Die DLRG Oldenburg war für die Sandsackfüllung und Treibgutsicherung im Einsatz, zudem bereitete sich die DLRG Rastede auf die Absicherung des für eine mögliche Deichöffnung vorgesehenen Baggerfahrers vor.

Präventiv-Maßnahmen:
Gleich zu Beginn und nach Erfassen des Ausmaßes der Lage wurden Evakuierungsszenarien entwickelt: erst für den Bereich Achterdiek, dann für das Gebiet westlich der Sandkruger Straße. Teams aus Ordnungsdienst, Rettungsdienst und Polizei klingelten an jeder einzelnen Haustür, um die Anwohnerinnen und Anwohner aufzuklären, Infozettel zu verteilen und eventuell nötige Hilfe für den Evakuierungsfall zu notieren, etwa bei bewegungseingeschränkten Personen. Glücklicherweise kam es nicht dazu, die rund 840 betroffenen Menschen konnten in ihren Wohnungen und Häusern bleiben und mussten nicht in die für den Fall der Fälle vorbereitete Notunterkunft wechseln.

Neben der Errichtung des mobilen Notdeichs und der Evakuierungspläne standen zudem ein Bagger und Sprengstoff bereit, um im Falle eines Hunte-Deichbruchs den Erdwall zum Osternburger Kanal hin gezielt zu durchbrechen und die Überflutungsfläche hinter dem Bümmersteder Friedhof zu entlasten. Doch auch dieses Szenario blieb zum Glück aus.

Informationen:
Die Stadt Oldenburg informierte täglich via Pressemitteilungen (insgesamt 34 allein zum Thema Hochwasser) und Bürgerbrief und stellte aktuelle Informationen auf der städtischen Website sowie den Social-Media-Kanälen auf Facebook, Instagram und X online. Zudem wurden aktuelle Warnungen über Katwarn rausgegeben. Um den unerwünschten „Deichtourismus“ weiter einzudämmen und der Bevölkerung einen Einblick von oben zu geben, veröffentlichte die Stadt auf ihrer Website kurzerhand einige Drohnenvideos der Drohnengruppe Feuerwehr Stadt Oldenburg, die zahlreich geklickt wurden.

Es gab insgesamt 93 Presseanfragen rund um das Thema Hochwasser plus mehrere Pressetermine vor Ort, bei denen Oberbürgermeister Jürgen Krogmann, Stadträtin Dagmar Sachse, Baudezernentin Christine-Petra Schacht sowie die Einsatzkräfte vor Ort Rede und Antwort standen.
Innenministerin Daniela Behrens, THW-Präsidentin Sabine Lackner, eine Delegation des Oldenburger Stadtrates sowie einige wenige Medienvertreter besuchten zudem den Katastrophenschutz-Stab  und bedankten sich für deren Einsatz und den der zahlreichen Einsatzkräfte.

Hilfsangebote:
Überwältigend war die Hilfsbereitschaft der Oldenburgerinnen und Oldenburger in dieser Ausnahmesituation – viele hatten das Bedürfnis, irgendwie zu unterstützen. Deshalb richtete die Stadt Oldenburg unter anderem eine Online-Formular ein, wo sich Helfende registrieren konnten. Hierüber haben rund 280 Spontanhelfende ihre Unterstützung angeboten. Zudem gab es etliche Kaffee- und Kuchenspenden von Privatpersonen für die Helferinnen und Helfer vor Ort. Wer Geld spenden wollte, konnte einen Betrag auf das vom DRK eingerichtete Spendenkonto überweisen.

Verbote und Sperrungen:
Besondere Situationen erfordern besondere Maßnahmen: Deshalb wurde zum Schutz der durchweichten Deiche und Zuwegungen ein entsprechendes Betretungsverbot erlassen. Doch leider nahmen das nicht alle ernst: Rund 200 Verstöße wurden gezählt, die jeweils mit 300 bis 400 Euro Bußgeld geahndet wurden. Und um den Luftraum für notwendige Einsatz- und Erkundungsflüge freizuhalten, erließ die Deutsche Flugsicherung in Abstimmung mit der Stadt ein Überflugverbot bis zu einer Höhe von 1.000 Fuß (304,8 Meter).

Bürgertelefon:
Von Heiligabend bis Freitag, 12. Januar, war die Hochwasserlage in der Stadt Oldenburg präsent. Ab dem 24. Dezember wurde unter der Rufnummer 0441 235-4500 ein Bürgertelefon zur Hochwasserlage geschaltet, über das bis zum Ende der 2. Kalenderwoche insgesamt 715 Anrufe eingingen. Erreichbar waren die Kolleginnen und Kollegen in diesem Zeitraum montags bis freitags von 7 bis 18 Uhr sowie an den Wochenenden und Feiertagen von 11 bis 15 Uhr. Die Themen, die die Anruferinnen und Anrufer am meisten beschäftigten, waren überlaufende Gullys, vollgelaufene Keller und Informationen zur Sandsack-Ausgabe. Zudem erkundigten sich einige besorgte Oldenburgerinnen und Oldenburger, die in den Urlaub gefahren waren, nach den betroffenen Gebieten. So konnten die Notrufnummern und Polizeidienststellen spürbar entlastet werden.

Feuerwehren:
Neben der Berufsfeuerwehr der Stadt Oldenburg halfen auch zahlreiche Freiwilligen Feuerwehren aus Oldenburg und der Umgebung mit, um gemeinsam gegen das steigende Wasser zu kämpfen. Vom ersten Tag an kam der Ortsfeuerwehr Ohmstede als Facheinheit Hochwasserschutz besondere Bedeutung zu. Unter anderem hatte die Feuerwehr Osternburg zum Schutz des Wasserwerks in Sandkrug, welches die Stadt Oldenburg mit Trinkwasser versorgt, einen Sandsackschutzdeich verbaut. Rund 200 Einsatzkräfte der Feuerwehren waren insgesamt im Einsatz, neben allen Ortsfeuerwehren auch die Einheit Wasserrettung und die Drohnengruppe der Feuerwehr Oldenburg. Die Kreisfeuerwehrbereitschaft des Ammerlandes hielt sich Tag und Nacht für die Stadt Oldenburg in Alarmbereitschaft und unterstützte auch beim Aufbau mobiler Deiche. Aus Hagen, Hanau, Duisburg, Augsburg und Rostock lieferten die Feuerwehren das Equipment für den mobilen Deich.
 
Polizei:
Der Katastrophenschutz-Stab  der Stadt Oldenburg wurde unter anderem auch von der Bundespolizei, der Polizeihubschrauberstaffel Niedersachen, der 6. Einsatzhundertschaft Oldenburg der Bereitschaftspolizei, der Wasserschutzpolizeistation Brake und der Verfügungseinheit der Polizeiinspektion Oldenburg-Stadt/Ammerland unterstützt.

Alle Kolleginnen und Kollegen der Polizeiinspektion Oldenburg-Stadt/Ammerland und darüber hinaus, die in Oldenburg wohnhaft sind, haben trotz Urlaub und dienstfrei eine hohe Bereitschaft gezeigt, im Falle der Fälle jederzeit zum Dienst zu kommen, um die Maßnahmen des Katastrophenschutz-Stabs seitens der Polizei zu unterstützen. In der eigens dafür geschaffenen Alarmierungsgruppe sind aktuell 490 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gelistet.

Deutsches Rotes Kreuz:
Im Verpflegungseinsatz waren insgesamt rund 130 Helferinnen und Helfer von DRK Oldenburg, Ammerland und Vechta mit über 4.200 Einsatzstunden. Die Helferinnen und Helfer des Deutschen Rotes Kreuzes haben insgesamt etwa 9.900 Portionen Frühstück, Mittagessen, Abendessen und Lunchpakete für die Nacht vorbereitet; davon wurden allein rund 7.350 Brötchen zum Frühstück geschmiert.

Zudem erklärte sich das DRK bereit, die Koordination eines Spendenkontos für die ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer zu übernehmen. Auf dem Konto sind rund 25.000 Euro eingegangen, die an die beteiligten Organisationen gehen sollen.

Johanniter und Malteser:
Auch Helferinnen und Helfer der Johanniter-Unfall-Hilfe und des Malteser Hilfsdienstes waren im Einsatz und hielten sich für eine Evakuierung in Dauerbereitschaft.

Technisches Hilfswerk:
Der Hochwassereinsatz in Oldenburg geht als der bislang längste innerstädtische Einsatz des THW-Ortsverbandes Oldenburg in die eigene Geschichte ein. 55 Ehrenamtliche haben in mehr als 4.400 Einsatzstunden beispielsweise Sandsäcke transportiert und verbaut, Führungsunterstützung geleistet und Pegelstände überwacht. Das THW stellte umfangreiche Kapazitäten aus dem eigenen Fähigkeitspool bereit: Neben den Infrastruktur-Spezialistinnen und Spezialisten aus Oldenburg, die Pumpen warteten und installierten, berieten beispielsweise Technische Berater die Stadt Oldenburg zur Deichsicherung. Weitere Ehrenamtliche aus dem Ortsverband verbauten Sandsäcke und bargen Treibgut. Nicht nur THW-Kräfte aus Oldenburg unterstützen in den drei Wochen: Zu Spitzenzeiten waren bis zu 150 THW-Helferinnen und Helfer aus ganz Niedersachsen in Oldenburg im Einsatz. Unter anderem stellte das THW Boote aus Wilhelmshaven und Leer sowie Radlader aus Emden und Bremen inklusive des Personals bereit. Die durch das THW eingesetzten mobilen Hochwasserpegel kamen beispielsweise aus Gießen in Hessen oder aus Theley im Saarland.

Wasserexperten:
Vom Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz waren drei Kollegen im Einsatz, die von einer „noch nie dagewesenen Flächenlage“ sprechen. Während der Hochwasserlage in der Stadt Oldenburg wurden 45 Tiden am Huntesperrwerk gesperrt (normalerweise 20 bis 25 pro Jahr). Der Schließwasserstand am Huntesperrwerk wurde dabei deutlich reduziert (von Pegelnullpunkt +780 cm auf +650 cm und teilweise sogar +600 cm, Reduzierung von bis zu 1,8 Meter), um einen möglichst hohen Abfluss in der Hunte und Haaren zu ermöglichen und so die Hochwasserlage in Oldenburg zu beherrschen. Die zur Verfügung stehenden Anlagen zur Abführung des Hochwassers, das Wasserkraftwerk Oldenburg und die Hochwasserentlastungsanlage Tungeln, waren zeitweise an ihrer Belastungsgrenze.

Der Pegel in Colnrade erreichte in der Hochwasserlage zweimal +425 – das war der dritthöchste Wert der vergangenen Jahrzehnte. Der Pegel Huntlosen, der für die Stadt Oldenburg von besonderer Bedeutung war, erreichte mit +644 den zweithöchsten Wert der vergangenen Jahrzehnte. Auffallend war die sehr lang anhaltende Hochwasserwelle, die über einen Zeitraum von 22 Tagen über der Meldestufe 2 lag. Problematisch waren laut NLKWN die nicht kalkulierbaren Erosionsprozesse im Fließgewässer Hunte durch die sehr hohen Fließgeschwindigkeiten.
Um einen optimalen Hochwasserabfluss zu erreichen, wurden die wasserwirtschaftlichen Anlagen in enger Kooperation mit der EWE (Wasserkraftwerk), der Hunte-Wasseracht (Hochwasserentlastungsanlage Tungeln), dem WSA Weser-Jade-Nordsee (Schleuse Oldenburg) und dem NLWKN (Huntesperrwerk) gesteuert.

Unvorhergesehenes und Unverschämtes:
Kurzzeitige Erschöpfung am Schöpfwerk am Stautorkreisel: Bei dem Bauwerk, das zur Entwässerung der Haaren beiträgt, musste noch vor dem Jahreswechsel kurzfristig Ersatz für eine defekte Pumpe her. Ein 200 Tonnen schwerer Mobilkran wurde aufgestellt und es wurden Container mit Ersatzpumpen aus den Niederlanden angeliefert. Dieser Schritt war notwendig geworden, um für einen weiteren Pumpenausfall gerüstet zu sein. Am Schöpfwerk sind normalerweise vier Pumpen im Einsatz, für den Normalbetrieb ist die Leistung von 2,5 funktionsfähigen Pumpen ausreichend.
Dieselklau aus dem Not-Bagger: Unbekannte hatten aus dem Bagger, der für eine potentielle Notöffnung des Deichs am Osternburger Kanal vorgesehen war und somit eine große Bedeutung für den Schutz der Anwohnenden hatte, Kraftstoff gestohlen. Die Polizei nahm daraufhin die Ermittlungen auf – doch leider ohne Erfolg.

Bundeswehr:
Auch die Bundeswehr hat den Katastrophenschutz-Stab der Stadt Oldenburg tatkräftig unterstützt: Vier Kameradinnen und Kameraden des Kreisverbindungskommandos, Landeskommando Niedersachsen, waren stets zu den Lagebesprechungen vor Ort und fungierten als Ansprechpartner für alle wichtigen Belange rund um die Unterstützung durch die Bundeswehr in dieser besonderen Lage. So standen rund hundert Soldatinnen und Soldaten der 1. Panzerdivision Oldenburg in der Henning-von-Tresckow-Kaserne auf Abruf bereit. Zehn Hubschrauber der Bundeswehr hielten sich ebenfalls in Bereitschaft, um in ganz Niedersachsen zu unterstützen. Und nicht zuletzt wurden auf dem Kasernengelände Platz und Raum für 40 Fahrzeuge und 100 Einsatzkräfte zur Verfügung gestellt. Oberstleutnant Lothar Griese sagte zum Einsatz in Oldenburg: „Wir fühlten uns jederzeit als organischer Teil des Katastrophenschutz-Stabs und willkommen. Das war ein ganz tolles Zusammenarbeiten.“

Das Kreisverbindungskommando Stadt Oldenburg sucht übrigens noch Verstärkung, die Mindestvoraussetzung ist Feldwebel der Reserve. Interessierte Reservisten können sich per E-Mail an LotharGriese[at]bundeswehr.org wenden oder telefonisch unter 0151 55045478 melden.

Auch die anderen Organisationen sind immer auf der Suche nach motivierten Helferinnen und Helfern. Wer sich engagieren möchte, findet die Kontaktdaten auf der jeweiligen Internetseite.

Foto: Sascha Stüber
Größtenteils ehrenamtliche Einsatzkräfte verschiedener Feuerwehren errichteten einen Sandsack-Deich im Oldenburger Stadtsüden. Foto: Sascha Stüber