Oldenburg. Das Horst-Janssen-Museum hat mit „Horst Janssen – 19.5.1990 oder ‚Ich bin nur ein Auge, das guckt‘“ einen neuen Band seiner Studienhefte „Kleine Reihe“ veröffentlicht. Der Grafikzyklus „19.5.1990“ benennt ein für Horst Janssen einschneidendes Datum: Den Tag seines Balkonsturzes, an dem er sich mehrere Knochenbrüche zuzog und – was für einen Künstler das Schlimmste ist – temporär sein Augenlicht verlor. Diesen Unfall, die mehrmonatige Erblindung und die nachfolgende Genesung verarbeitete Janssen in der Mappe „19.5.1990“. Der langjährig am Horst-Janssen-Museum tätige Kunstvermittler und Autor Dirk Meyer hat sich den Zyklus vorgenommen und ihn wissenschaftlich aufgearbeitet, um ihn mit diesem Studienheft biografisch und kunstgeschichtlich einzuordnen.
Der Unfall
Am Morgen des 19. Mai 1990 bricht der Balkon seines Hauses, auf dem sich Horst Janssen gerade befindet, unter ihm zusammen. Er stürzt mit den Trümmern hinab. Auf dem Balkon befinden sich aus Sicherheitsgründen die Schalen mit Salpetersäue, die für das Herstellen von Radierungen benötigt wird. Die Säure läuft ihm während des Sturzes über die Augen, wodurch er zeitweise erblindet. Es dauert einige Monate, bis sich seine Augen erholt haben. Unterstützt wird er während seines Genesungsprozesses von der Journalistin Heidrun Bobeth – erst Freundin, dann Geliebte und Muse.
Der Grafikzyklus
Seine Kranken- und Genesungsgeschichte inspiriert Horst Janssen zu einer Mappe mit neun kolorierten Grafiken, zwei reproduzierten Fotos und einem reproduzierten handschriftlichen Titelblatt. Sie wird in einer Auflage von 30 Exemplaren herausgegeben.
Der Zyklus enthält eine bearbeitete Röntgenaufnahme von Janssens Kopf unmittelbar nach dem Unfall sowie ein reproduziertes Foto, das ihn nach der medizinischen Erstversorgung zeigt. Auf beiden Blättern nimmt Janssen schriftlich Bezug auf Heidrun Bobeth, die er als seine Amazone und Engel beschreibt. Weitere Blätter der Mappe zeigen seinen Schädel mit Augen und die langsame prozentuale Steigerung seiner Sehfähigkeit, andere seine Knochenbrüche an Becken und Schienbein. Auf dem letzten Blatt des Zyklus mit seinem Konterfei steht „ich kann wieder kucken“.
Buchinformationen
Dirk Meyer: Horst Janssen – 19.5.1990 oder „Ich bin nur ein Auge, das guckt“; Mit einem Vorwort von Jutta Moster-Hoos. Oldenburg: Isensee, 2023; ISBN 978-3-7308-2078-0
Preis: 16,90 Euro
Erhältlich im Buchhandel und im Horst-Janssen-Museum.
Was ist die „Kleine Reihe“?
Die „Kleine Reihe“, herausgegeben vom Horst-Janssen-Museum, verfolgt das ambitionierte Ziel, die Radierzyklen Janssens nach und nach in einer jeweils eigenen Publikation wissenschaftlich aufzubereiten. Von 1959 bis 1993 sind insgesamt fast 50 Radiersuiten entstanden. Die meisten dieser Mappenwerke sind klassische Radierfolgen, in denen Janssen – und ab den 1960er Jahren seine unterschiedlichen Drucker – die Technik des Tiefdrucks auf höchstem Niveau vorführen und erproben. Das Buch von Dirk Meyer ist der fünfte Band dieser Reihe.