Zoran Drvenkar besucht Germanistikseminar
Ein Bericht von Studierenden der Carl von Ossietzky Universität
Auf Einladung des Literaturhauses Oldenburg besuchte der Autor Zoran Drvenkar am 9. Dezember 2022 unsere Germanistikveranstaltung, um aus seinen Büchern zu lesen und mit uns Studierenden ins Gespräch zu kommen. Die Veranstaltung trug den Titel „Kinder- und Jugendliteratur der Gegenwart“, wobei ein Fokus auf Erzählungen Zoran Drvenkars lag.
Vorbereitung
Vorbereitend auf die Sitzungen des Seminars haben alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Primärtexte Im Regen stehen (2000), Die Kurzhosengang (2004) und Wir – Die süßen Schlampen (2022) von Zoran Drvenkar gelesen. In den Seminarsitzungen vor der Lesung wurden diese Texte behandelt. Der Thriller mit dem Titel Wir – Die süßen Schlampen wurde zum Beispiel in Bezug auf Genremerkmale, Erzählstrukturen und sprachliche Mittel analysiert. Auch sind wir genauer auf die Schreibweisen und die Poetologie Zoran Drvenkars eingegangen. Neben der Sichtung von Rezensionen seiner Texte haben wir Lesungen von weiteren Autorinnen und Autoren besucht. Zudem hat sich das Moderationsteam auf das Gespräch mit Zoran Drvenkar vorbereitet und einen ersten Entwurf über die Gestaltung der Lesung verfasst.
Am Tag der Lesung wurde zu Beginn der Sitzung das Setup in unserem Seminarraum der Universität Oldenburg aufgebaut. Vorerst wurden Tische und Stühle für das Moderationsteam und den Autor aufgestellt, ein Mikrofon und eine Leselampe bereitgestellt sowie Getränke und Gebäck auf den Tischen platziert. Unmittelbar vor Beginn der Lesung machten wir Fotografien vom Setup, dem Moderationsteam und dem Autor.
Vorstellung
Nach der Begrüßung unserer Dozentin Ella Margaretha Karnatz und der Vorstellung der Mitarbeiterin Sina Lührs des Literaturhauses stellte sich Zoran Drvenkar vor. Er erzählte von seiner Herkunft, seiner Kindheit und wie er im Stadtteil Charlottenburg in Berlin aufgewachsen ist. Zudem erfuhren wir, wie er auch ohne Abitur und Studium Schriftsteller geworden ist. Auch erzählte er, wie er zum Schreiben kam und was ihn motivierte: Er würde schreiben, weil er was zu erzählen habe, nicht wegen des Geldes. Drvenkar berichtete von seiner jahrelangen Freundschaft mit seinem Freund und Teampartner Gregor und ermöglichte uns somit als Zuhörerinnen und Zuhörer tiefe Einblicke in sein privates Leben. Zudem begründete er seine besondere Verbindung zu Oldenburg mit dem Erhalt seines ersten Literaturpreises, dem Kinder- und Jugendbuchpreis 1999 der Stadt Oldenburg für das Jugendbuch Niemand so stark wie wir (1998).
Interview
Die Studentinnen und Studenten entwickelten während des Seminars Interviewfragen für die Lesung. Es sammelten sich im Laufe des Semesters zahlreiche Fragen, die sowohl Drvenkars persönliche Biografie betrafen als auch den Inhalt seiner Texte. Das Moderationsteam, bestehend aus Justine Schindler und Ella Otto, stellte am Tag der Lesung die Interviewfragen an Drvenkar, von denen hier nur zwei aufgeführt seien:
Als Einstieg würde uns interessieren, wie du deinen Schreibstil in drei Worten beschreiben würdest.
„Ist alles meins. […] Wenn man anfängt zu schreiben – man kopiert natürlich das, was man liest, und bis ich 20-21 war, habe ich ganz viel kopiert. Man lernt ja beim Schreiben dazu, das heißt alles, was ich lese, geht [hier] rein, wird verarbeitet und was Neues soll rauskommen. Man lernt Stilarten kennen, man lernt wie Dialoge gemacht werden und all das nimmt man erstmal auf und verarbeitet es. Es ist eine Mischung – es ist natürlich meins, aber ohne die anderen wäre ich nicht da.“
Wie sieht der typische Schreibprozess bei dir aus? Das ist ja auch immer anders.
„Es gibt wirklich Arten zu schreiben, die ich sehr bewundere und ich wünschte ich hätte ein Stück davon abbekommen, aber ich hab’s leider nicht. Ich hab’ überhaupt keinen Plan. Mein Plan ist der: Ich habe eine kleine Idee – eine Anfangsidee, zehn Seiten, schreibe die und denke: Was ist denn hier los?! Das heißt, die Charaktere kenne ich nicht, und ich weiß nicht, was da passiert. Es hat nicht viel mit dem Kopf zu tun, es hat sehr viel mit dem Bauch zu tun – der Kopf kommt viel später dazu. Wenn ihr eine Straße runterlauft, ihr denkt ja nicht darüber nach – okay, linkes Bein heben, Muskel anspannen, nach vorne setzen, rechtes Bein… – sondern ihr lauft einfach, ihr denkt nicht über das Laufen nach. Ich denke nicht über das Schreiben nach, ich bin im Schreiben und im Prozess drin. Alles andere entsteht drum herum.“
Lesung
Im weiteren Verlauf der Lesung las Drvenkar noch eine Kurzgeschichte aus seinem Roman Frankie und wie er die Welt sieht. Die Kurzgeschichte nennt sich Die ganze Ungerechtigkeit der Welt und thematisiert – ohne zu viel vorwegzunehmen – die Freundschaft zwischen Frankie und seinem Freund Lars, der von seiner Familie schlecht behandelt wird. Aus der Kurzgeschichte wurde das Hörspiel Magdeburg hieß früher Madagaskar, das 2015 einen Preis verliehen bekam, und danach wurde es zu einem Theaterstück (ebenfalls Magdeburg hieß früher Madagaskar), an dem Drvenkar auch als Drehbuchautor mitwirkte. Erst danach entstand die Idee, aus der Kurzgeschichte einen Roman zu konzipieren. Dieser wird voraussichtlich im Frühjahr 2024 erscheinen.
Zum Abschluss der Veranstaltung gab Drvenkar einen weiteren Einblick in eines seiner uns bisher unbekannten Werke und las – passend zur Vorweihnachtszeit – eine Kurzgeschichte aus dem Sammelband Die Nacht, in der meine Schwester den Weihnachtsmann entführte. 2005 erschienen, stellt es das Dritte einer Reihe autobiografischer Bücher dar und spiegele nach Aussage des Autors den Versöhnungsprozess mit seiner Vergangenheit und besonders der Familie wider. In acht Weihnachtsgeschichten erzählt Drvenkar darin von seinen Weihnachtserlebnissen gemeinsam mit der Schwester Susa, dem Bruder Pavel und dem Rest der Familie. Ohne den Inhalt Interessierten vorwegzunehmen, sei so viel gesagt: In unserem Seminar sorgte die schräge Geschichte für einige Lacher und die ein oder andere hochgezogene Augenbraue.
Mit dem Ende der Geschichte war auch die Lesung zu ihrem Ende gekommen.
Ausblick
Wir sind gespannt, was wir in Zukunft noch von Zoran Drvenkar hören werden. Neben einigen momentan laufenden Filmprojekten, wie einer Verfilmung zum voraussichtlich im Frühjahr 2024 erscheinenden Roman Frankie und wie er die Welt sieht und Arbeiten an der Serie zum Thriller Du (2010), schließt der Autor auch weitere Romane um die Mädchenclique aus Wir nicht aus.
Große schriftstellerische Ziele habe Drvenkar jedoch nicht mehr. „Ich habe schon für mich alles gesagt, was ich sagen wollte“, bemerkte er dazu. Das Leben mit den Menschen um ihn herum zu genießen, sei für ihn mittlerweile viel wichtiger geworden. Dabei wünschen wir Zoran Drvenkar als Seminar alles Gute und bedanken uns herzlich bei ihm und dem Literaturhaus Oldenburg für seinen Besuch.
Zuletzt geändert am 3. Februar 2023