1.22: Interview mit Psychologin Dr. Svea von Hehn

Herausforderung Rückkehr

Homeoffice vs. OnSite

Welche Probleme und Chancen bringt die Rückkehr von Beschäftigten aus dem Homeoffice an den Büro-Arbeitsplatz mit sich? Fragen dazu beantwortet die Berliner Psychologin und Neurowissenschaftlerin Dr. Svea von Hehn. Ihre Schwerpunkte liegen auf Kulturwandel, Führung und Entwicklung von Unternehmen. Zu den Kunden ihrer Firma „Return on Meaning“ zählen Konzerne ebenso wie Start-ups.

Frau von Hehn, Ihre Beratungsfirma „Return on Meaning“ rückt das Thema Achtsamkeit in den Mittelpunkt. Wer wendet sich an Sie und mit welchen Problemen haben Sie es vorrangig zu tun?

Wir haben es auf der einen Seite mit Großkonzernen wie Siemens, Vaillant oder Daimler zu tun, auf der anderen aber auch mit Mittelständlern, Start-ups und öffentlichen Organisationen. Häufig geht es um Führung und Kultur. Unternehmen wollen ihre Führungskräfte hinsichtlich Haltung und Self-Leadership trainieren. Dann geht es vorranging um Themen des Mindful Leaderships, etwa Gelassenheit, Klarheit, Verbundenheit. Auch über Probleme mit dem Umgang mit Konflikten sprechen wir. Ferner unterstützen wir Organisationen, die ihre Mitarbeitenden in Fragen der Resilienz und mentaler Stärke trainieren möchten.

In vielen Firmen müssen sich Mitarbeitende nach langer Zeit im Homeoffice wieder neu eingliedern. Was sollte die Unternehmensführung dabei beachten?

Sehr viel. Wichtig ist, der Teamentwicklung Raum zu geben. Wir haben nicht nur Rückkehrer ins Büro, sondern auch Zugänge. Einige aus dem Team haben sich vielleicht noch nie live gesehen. Und das Verhältnis von Homeoffice und OnSite muss neu definiert werden. Die Unternehmensführung muss hier gemeinsam mit dem Team klare und faire Leitplanken entwickeln. Ebenso wichtig: Sie muss bewusst kommunizieren, dass sie die Herausforderungen der Beschäftigten sieht.

Wie geschieht das am besten?

Indem man erst einmal Interesse zeigt und dem Gegenüber Wertschätzung entgegenbringt. Ein Satz wie „Das verstehe ich!“ wirkt oft Wunder. Dann ist es wichtig, positive Entwicklungen aufzuzeigen, Möglichkeiten zu verdeutlichen und das Gemeinschaftsgefühl zu stärken. Auch da zählen oft die kleinen Dinge: In der ersten Woche gibt es täglich Kuchen in der Gemeinschaftsküche.

Welche (sozialen) Konflikte können bei der „Wiedereingliederung“ auftreten?

Die Unternehmensführung muss sich darauf einstellen, dass sich Konflikte entwickeln können, von denen man vorher noch nichts ahnte. Nach anderthalb oder zwei Jahren die Arbeitsweise zu ändern, verursacht in der Regel Stress bei allen Beteiligten.

Was lässt sich dagegen tun?

Man muss dem Team Zeit geben. Es müssen sich erst neue Routinen entwickeln. Darin liegt auch eine Chance. So kann der „Neustart“ beispielsweise mit einer anderen, vielleicht etwas lockereren Form von Meetings einhergehen, die es dem Team ermöglicht, sich zu finden. Denkbar ist jedoch ebenfalls, dass Konflikte unter den Beschäftigten zutage treten, etwa durch verschiedene Arbeitsweisen oder unterschiedliche Arbeitstempi. Ein weiterer Punkt können äußere Einflüsse sein, die dem einen mehr zu schaffen machen als der anderen: Lärm im Büro zum Beispiel.

Welche positiven Effekte kann es fürs Unternehmen haben, wenn Beschäftigte an ihre Büro- Arbeitsplätze zurückkehren?

In Remote-Zuständen ist es viel komplizierter, die Mimik zu verstehen. Die nonverbale Kommunikation geht virtuell ja ziemlich verloren. Durch die örtliche Nähe können wir alle unsere Kolleginnen und Kollegen besser „lesen“. Das zahlt sich etwa bei der Identifizierung mit der Arbeit und dem Arbeitgeber aus, denn Verbundenheit fördert unser Wohlbefinden und unsere Resilienz und zahlt damit auf unsere Zufriedenheit ein.

Und man muss sich für ein Gespräch nicht bewusst verabreden, sondern trifft sich auch mal zufällig auf dem Büroflur …

Genau. Das ist gut fürs soziale Klima und häufig effektiver als die x-te E-Mail, die wir zu einem Thema schreiben. Vor allem führt es zu weniger Missverständnissen und weniger Reaktivität. Am Ende bildet das ein Plus für die Produktivität. Hinzu kommt, dass viele Ideen im direkten Austausch entstehen, auch an der Kaffeemaschine oder im Büroflur.

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Zuletzt geändert am 23. November 2023